Downloads temporarily removed for testing purposes

18. IX. 14

Karte von Breisach, die vorläufig nicht genauer zu deuten ist. — KarteOJ 13/26, [3] von Rich. Robert, der die Taktlosigkeit begeht, mich um einen Besuch zu bitten, trotzdem er offenbar eine Bitte vorzubringen hat. — Brief von Frl. Kahn [,] worin sie bittet, sie vorläufig von der Honorarpflicht zu entheben, da sie von Katzau 1 (einem der reichsten Herrn!) im Stich gelassen wurde. {713} Brief von Frl. Elias mit Ankündigung von „Sorgen“ um meine Schwester. — Karte von Frau Colbert, die trotz meinem Briefe einen Besuch ankündigt u. BriefOJ 15/16, [24] von Weisse, der wieder um eine Gefälligkeit schmarotzt.

*

Schwester Sophie u. Schwager machen einige Wege zu Zentralstellen, Aerztekammer u. s. w.

*

In der Unterredung fragt mich der junge Breisach im Namen des Vaters, ob eine Stunde genügend wäre. Ich erkläre mich darauf bereit, lieber die Hälfte des Honorars nach Friedensschluß entgegenzunehmen, als beim Unterricht auf den notwendigen Umfang zu verzichten. — Viel peinlicher war mir gleich darauf die Unterredung mit Fr. Colbert. Die Ausführungen meines Briefes glaubte sie nur in dem einen Punkt beanstanden zu müssen, daß ich sie mit Floriz vergleiche; sie meinte nämlich, sie habe es ja im Grunde nicht nötig zu spielen, da dies ja nicht ihr Hauptberuf sei. Doch gleich darauf betonte sie widerspruchsvoll genug, daß sie die Musik ja nicht entbehren könne, u. s. f. Ich blieb aber konsequent dabei, daß sie entweder zu pausieren oder auf die übliche kleinste 4-Stundenration einzugehen habe. Sie scheint eben gemäß ihre ms beschränkten Verstandes nur einen einzigen Punkt meiner Darlegungen begriffen zu haben, nämlich daß ich Schwierigkeiten hätte meinen anderen Schülern zu antworten, wenn sie auf meine Nachgiebigkeit ihr gegenüber hinweisen würden. Unweigerlich müßten meine Schüler den Verdacht hegen, daß ich die Stundenzahl nicht so sehr des Unterrichts als des Honorars halber ansetze. Zu welchem Entschluß Fr. C. gelangt[,] ist mir bis jetzt unbekannt.

*

Die Mittagszeitung bringt einen schön um vieles zuversichtlicheren Ton in der Meldung des deutschen Generalstabs; 2 man kann sagen, die Meldung klingt wie eine Einleitung einer bald zu gewärtigenden entscheidenden Siegesmeldung. Abends wird der Bericht noch vollständiger u. zuversichtlicher. 3

*

Die beiden Unterredungen haben mich sehr erschöpft, zumal ich die beiden Tage her infolge der Aufregungen nur wenig gegessen u. nur mühsam alle möglichen Zustände niedergekämpft habe.

*

{714} Die Schwester bringt abends die Meldung, daß sie bereits eine Wohnung gefunden habe u. damit wäre die erste u. schwierigste Phase überwunden.

*

Bernard Shaws Gedanken über den Krieg citiert die „N. Fr. Pr.“. 4 Ziemlich verworren gipfeln sie endlich dennoch in einem vernünftigen Gedanken, nämlich in dem Rat, daß die westlichen Kulturstaaten, je früher desto besser, die Streitaxt begraben u. sich vereinigen mögen zur Bekämpfung der gelben Gefahr.

*

© Transcription Marko Deisinger.

September 18, 1914.

Postcard from Breisach, which for the time being cannot be interpreted more precisely. — PostcardOJ 13/26, [3] from Richard Robert, who commits the tactless error of asking me to visit, in spite of his evidently having a request to put to me. — Letter from Miss Kahn in which she asks me to suspend her lesson fee payments temporarily as she was left in the lurch by Katzau (one of the wealthiest men!). 1 {713} Letter from Miss Elias expressing "concerns" about my sister. — Postcard from Mrs. Colbert which, in spite of my letter, announces a visit; and a letterOJ 15/16, [24] from Weisse, who is again playing the freeloader, for sake of a favor.

*

My sister Sophie and brother-in-law undertake some errands, at central offices, doctors' practices, and so on.

*

In the conversation, young Breisach asks me, on behalf of his father, whether one lesson [per week] would be sufficient. I declare that I am prepared to accept half of the lesson fee after the conclusion of peace, rather than give up the necessary scope of the tuition. — Much more painful to me was my conversation with Mrs. Colbert immediately afterwards. There was only one point in the statements made in my letter which she was obliged to dispute: that I compared her with Floriz; she said, namely, that it was not basically necessary for her to play, since this is not her principal occupation. But immediately afterwards she stressed, in a contradictory way, that she could not do without music, and so on. But I remained consistent in the matter: that she should either take a break or accept the usual, minimum four-hour ration. She seems, precisely in the light of her limited understanding, to have understood one aspect of my explanations, namely that I would have difficulty replying to my other pupils if they were to refer to my compliance with respect to her. Inevitably, my pupils would harbor the suspicion that I set the number of lessons less on account of the tuition than for sake of the lesson fee. What Mrs. Colbert has decided is unknown to me until now.

*

The midday newspaper takes on a nicely more confident tone about many things in the report of the German general staff; 2 one can say that the report sounds like the introduction to the report of a decisive victory that will soon take place. In the evening, the report will be still more complete and more confident. 3

*

The two conversations exhausted me greatly, especially since, as a result of my excitement, I had eaten very little during the previous two days and struggled with all imaginable conditions only with difficulty.

*

{714} My sister informs me in the evening that she has already found an apartment, and thus the first and most difficult phase has been overcome.

*

Bernard Shaw's thoughts on the war are quoted in the Neue freie Presse . 4 Rather confused, they nonetheless culminate in a sensible idea, namely, in the suggestion that the Western nations of culture should bury the battle axe, the sooner the better, and unite to fight against the yellow danger.

*

© Translation William Drabkin.

18. IX. 14

Karte von Breisach, die vorläufig nicht genauer zu deuten ist. — KarteOJ 13/26, [3] von Rich. Robert, der die Taktlosigkeit begeht, mich um einen Besuch zu bitten, trotzdem er offenbar eine Bitte vorzubringen hat. — Brief von Frl. Kahn [,] worin sie bittet, sie vorläufig von der Honorarpflicht zu entheben, da sie von Katzau 1 (einem der reichsten Herrn!) im Stich gelassen wurde. {713} Brief von Frl. Elias mit Ankündigung von „Sorgen“ um meine Schwester. — Karte von Frau Colbert, die trotz meinem Briefe einen Besuch ankündigt u. BriefOJ 15/16, [24] von Weisse, der wieder um eine Gefälligkeit schmarotzt.

*

Schwester Sophie u. Schwager machen einige Wege zu Zentralstellen, Aerztekammer u. s. w.

*

In der Unterredung fragt mich der junge Breisach im Namen des Vaters, ob eine Stunde genügend wäre. Ich erkläre mich darauf bereit, lieber die Hälfte des Honorars nach Friedensschluß entgegenzunehmen, als beim Unterricht auf den notwendigen Umfang zu verzichten. — Viel peinlicher war mir gleich darauf die Unterredung mit Fr. Colbert. Die Ausführungen meines Briefes glaubte sie nur in dem einen Punkt beanstanden zu müssen, daß ich sie mit Floriz vergleiche; sie meinte nämlich, sie habe es ja im Grunde nicht nötig zu spielen, da dies ja nicht ihr Hauptberuf sei. Doch gleich darauf betonte sie widerspruchsvoll genug, daß sie die Musik ja nicht entbehren könne, u. s. f. Ich blieb aber konsequent dabei, daß sie entweder zu pausieren oder auf die übliche kleinste 4-Stundenration einzugehen habe. Sie scheint eben gemäß ihre ms beschränkten Verstandes nur einen einzigen Punkt meiner Darlegungen begriffen zu haben, nämlich daß ich Schwierigkeiten hätte meinen anderen Schülern zu antworten, wenn sie auf meine Nachgiebigkeit ihr gegenüber hinweisen würden. Unweigerlich müßten meine Schüler den Verdacht hegen, daß ich die Stundenzahl nicht so sehr des Unterrichts als des Honorars halber ansetze. Zu welchem Entschluß Fr. C. gelangt[,] ist mir bis jetzt unbekannt.

*

Die Mittagszeitung bringt einen schön um vieles zuversichtlicheren Ton in der Meldung des deutschen Generalstabs; 2 man kann sagen, die Meldung klingt wie eine Einleitung einer bald zu gewärtigenden entscheidenden Siegesmeldung. Abends wird der Bericht noch vollständiger u. zuversichtlicher. 3

*

Die beiden Unterredungen haben mich sehr erschöpft, zumal ich die beiden Tage her infolge der Aufregungen nur wenig gegessen u. nur mühsam alle möglichen Zustände niedergekämpft habe.

*

{714} Die Schwester bringt abends die Meldung, daß sie bereits eine Wohnung gefunden habe u. damit wäre die erste u. schwierigste Phase überwunden.

*

Bernard Shaws Gedanken über den Krieg citiert die „N. Fr. Pr.“. 4 Ziemlich verworren gipfeln sie endlich dennoch in einem vernünftigen Gedanken, nämlich in dem Rat, daß die westlichen Kulturstaaten, je früher desto besser, die Streitaxt begraben u. sich vereinigen mögen zur Bekämpfung der gelben Gefahr.

*

© Transcription Marko Deisinger.

September 18, 1914.

Postcard from Breisach, which for the time being cannot be interpreted more precisely. — PostcardOJ 13/26, [3] from Richard Robert, who commits the tactless error of asking me to visit, in spite of his evidently having a request to put to me. — Letter from Miss Kahn in which she asks me to suspend her lesson fee payments temporarily as she was left in the lurch by Katzau (one of the wealthiest men!). 1 {713} Letter from Miss Elias expressing "concerns" about my sister. — Postcard from Mrs. Colbert which, in spite of my letter, announces a visit; and a letterOJ 15/16, [24] from Weisse, who is again playing the freeloader, for sake of a favor.

*

My sister Sophie and brother-in-law undertake some errands, at central offices, doctors' practices, and so on.

*

In the conversation, young Breisach asks me, on behalf of his father, whether one lesson [per week] would be sufficient. I declare that I am prepared to accept half of the lesson fee after the conclusion of peace, rather than give up the necessary scope of the tuition. — Much more painful to me was my conversation with Mrs. Colbert immediately afterwards. There was only one point in the statements made in my letter which she was obliged to dispute: that I compared her with Floriz; she said, namely, that it was not basically necessary for her to play, since this is not her principal occupation. But immediately afterwards she stressed, in a contradictory way, that she could not do without music, and so on. But I remained consistent in the matter: that she should either take a break or accept the usual, minimum four-hour ration. She seems, precisely in the light of her limited understanding, to have understood one aspect of my explanations, namely that I would have difficulty replying to my other pupils if they were to refer to my compliance with respect to her. Inevitably, my pupils would harbor the suspicion that I set the number of lessons less on account of the tuition than for sake of the lesson fee. What Mrs. Colbert has decided is unknown to me until now.

*

The midday newspaper takes on a nicely more confident tone about many things in the report of the German general staff; 2 one can say that the report sounds like the introduction to the report of a decisive victory that will soon take place. In the evening, the report will be still more complete and more confident. 3

*

The two conversations exhausted me greatly, especially since, as a result of my excitement, I had eaten very little during the previous two days and struggled with all imaginable conditions only with difficulty.

*

{714} My sister informs me in the evening that she has already found an apartment, and thus the first and most difficult phase has been overcome.

*

Bernard Shaw's thoughts on the war are quoted in the Neue freie Presse . 4 Rather confused, they nonetheless culminate in a sensible idea, namely, in the suggestion that the Western nations of culture should bury the battle axe, the sooner the better, and unite to fight against the yellow danger.

*

© Translation William Drabkin.

Footnotes

1 Possibly the court attorney Dr. Felix Katzau, a co-partner of the cotton mill S. Katzau in Babí bei Náchod (Bohemia), who stood on the committee of the Jewish religious community in Vienna. See Lehmanns Allgemeiner Wohnungs-Anzeiger nebst Handels- und Gewerbe-Adreßbuch für die k. k. Reichs-Haupt- und Residenzstadt Wien. 1914, 56th year, vol. 1, p. 475 and vol. 2, p. 600.

2 "Vor der Entscheidung in Frankreich. Erlahmen der Widerstandskraft der Franzosen. – Gescheiterte Durchbruchsversuche. – Ausfälle aus Verdun zurückgewiesen," Neues Wiener Journal, No. 7506, September 18, 1914, 22nd year, noon edition, p. 1.

3 "Die Kämpfe in Frankreich," Neues Wiener Tagblatt, No. 258, September 18, 1914, 48th year, evening edition, p. 1. "Wesentliche Fortschritte der deutschen Armee in der großen Schlacht," Neue Freie Presse, No. 17984, September 18, 1914, evening edition, p. 1.

4 "Bernard Shaw über „Verbrechen gegen die Zivilisation zugunsten Rußlands“," Neue Freie Presse, No. 17984, September 18, 1914, evening edition, p. 1.