7.
Bei Mama mit Lie-Liechen, wo wir Sophie u. Schwager antreffen. Neue Pläne bezüglich der Mama werden erörtert, leider gehen die Vorschläge wirr durcheinander u. nur eines scheint festzustehen, daß Sophie die neuaufgenommene Wohnung zur Kündigung bringen wird. {798} Die Affaire ist freilich schwierig u. scheitert an nicht weniger als 3 Egoismen, nämlich meiner beiden Brüder u. der Schwester. Obgleich diese sich nur unmittelbar selbst bedroht fühlen, habe ich die Pflicht, mich gegen eine weit größere Gefahr zu wehren, nämlich gegen Folgen, die über das Faktum selbst hinausreichen könnten, über Folgen, wie sie meinen Geschwistern durchaus nicht drohen. Denn wenn ich zugebe, daß eine Verwandte meines Vaters zur Mutter zieht, so laufe ich Gefahr, diese Person den Rest ihres Lebens versorgen zu müssen, eine Gefahr die entfällt, wenn meine Mutter bei einem der Brüder oder der Schwester wäre. Meine Mutter u. meine Geschwister wären freilich ruhig, aber bekanntlich sind alle diejenigen R ruhig, die den Gegenstand der Unruhe einen Anderen tragen lassen. *Die Morgenblätter berichten von der Eroberung von Lodz 1 u. sehr verlustreichen Kämpfen in Serbien. 2 *Im Feuilleton des Alpheus spuckt der Darwinismus in dümmster Fassung u. gerade die Konsequenzen, die der Anpassungslehre gegeben werden, zeigen wieder am besten die offenbar schon von Darwin selbst falsch konzipierte Idee der Anpassung. 3 Denn wäre es richtig, daß die Giraffe ihren Hals so langgestreckt hat, um Laub von den Bäumen herunterholen zu können, so wüßte ich nicht, warum man nicht ebenso sagen könnte, daß es nur ein Zufall sei, wenn die Natur statt eines langen Halses ihr nicht etwa einen menschlichen Verstand gegeben hat, der ihr auch den längsten Hals erspart hätte. Und wenn das Nashorn Organe der Anpassung wider schlimme Insecten hat, so wüßte ich nicht, warum die Natur nicht lieber eine andere Vorsorge getroffen hätte wenn ihr darum zu tun war, einen Schutz wider Insecten zu erzielen. Warum mußte es gerade die Form eines Nashornes sein? Man sieht deutlich, daß Darwin die Erkenntnis von der Funktion mancher Organe in einer logisch unzulässigen Weise auf die Natur selbst transponiert hat, um ihr, die im absoluten Sinne verschiedene Organismen E erzeugt, dennoch Teleologisches zuzumuten. {799} Es ist eben mit der Anpassung ein bestimmter Organismus noch lange nicht erklärt, denn immer noch bliebe in dem einen Falle zu erklären übrig, warum daraus nicht gleich überhaupt ein anderer Fall geworden ist!! *Karte von Fl. mit Meldung von Influenzafällen in seinem Hause. *Lie-Liechen holt aus dem Dorotheum gegen Pfand über 200 Kr.[,] um den Teil einer Schuld zu begleichen. *Frau D. richtet sich ihre eigene Uhr eigens falsch, um 10 Min. früher erscheinen zu können u. dann auf diese Weise ihre Mitwirkung bei der Ausspeise-Aktion herausschlagen zu können. Traurig wie nun einmal diese Dame beschaffen ist, fällt es ihr nicht ein, denselben Zweck dadurch zu erreichen, daß sie entweder überhaupt nicht zur Stunde kommt – was ohnehin geschähe, wenn sie nach Japan gereist wäre – oder daß sie mindestens die fünfte Viertelstunde mir erläßt, die ja ohnehin ein Gnadengeschenk für die ist. *Seit Langem wieder eine Nummer der „Fackel“; diesmal wirklich imponierend an Gesinnung u. Gehalt. Schade nur, daß dem Autor von Natur aus versagt ist zu begreifen, wie sehr eine solche Beziehung zur Welt, wie er sie hat, noch schicklicher durch Mittel des Pathos als solche der Satire zur Wirkung gebracht wird. So richtig es ist, daß weder Pathos noch Satire zum Ziele führen, so bewirkt die Satire mehr [,] daß der Autor mehr die Eitelkeit der Menschen verletzt, u. sich solcherart im Grunde nur zu ihnen herabläßt, während das Pathos die Distanz genau so aufrecht erhält, wie es im Interesse der Sache wirklich wünschenswert ist. Wer sich um die Eitelkeit der anderen nicht bekümmert, u. so über sämtlichen Eitelkeiten steht, steht auch über der eigenen u. kann daher, frei von jeder Eitelkeit, am besten als Sprachrohr einer Idee dienen! *{800} Unter dem Eindruck der Mitteilung vom Feiertag, die überraschend kam, endlich seit langem ein Spaziergang die ganze Ringstraße entlang bis abends ½11h. Leider mischten sich in die Freuden des Spazierganges Nachklänge der Sorge um die Neuordnung der Dinge, wie auch Vorklänge neuer Sorgen um Kohle. *Des nachts [sic] träume ich vom Leichenbegängnis meines Vaters, dem ich in Wirklichkeit ja nicht beigewohnt habe. Filmartig wechselten die Situationen u. verdichteten sich zu einer unbegreiflich wirren Einheit. Der erste Teil spielte sich in meiner Vaterstadt, auf dem Wege zum Hause des Gutspächters ab, das etwa eine Viertelstunde hinter der Stadt auf einer Anhöhe liegt. Der Weg war voll Schnee u. Koth u. nur sehr mühsam arbeitete ich mich zu jener Anhöhe empor, desto fieberhafter, je mühsamer. Oben angekommen fand ich seltsamerweise den Leichenwagen noch nicht vor, u. nun schien es mir, als hörte ich wie Menschen dem Leichenwagen den Weg mit Sparten bahnten. Nun der Leichenwagen endlich eingetroffen, wechselt – wie seltsam – plötzlich die Scenerie u. ich befinde mich mitten in einer Kirche, u. zw. auf dem Chore der Kirche, die irgendwie frei mit der sie rings umgebenden Schneenatur communizierte. Ich wußte nicht recht, ob ich auf einer Anhöhe, ob auf dem Chore, innerhalb oder außerhalb einer Kirche mich befinde, staunte darüber, daß ich überhaupt in einer Kirche mich befinde, Damen reichten mir u. meiner Schwester Bonbons, u. plötzlich hieß es, der Leichenzug habe sich in Bewegung gesetzt. Ich suche ihn lange, allein vergebens; da fragte ich zwei Knaben, die an der Brüstung des Chores standen u. diese zeigten mir die Richtung, nach der der Leichenzug die Kirche verlassen [hatte]. Nun stürzte ich ihm nach u. befinde mich wieder in einer ganz anderen Umgebung, in einem schluchtartigen Tale, wo Straße u. Fluß dicht nebeneinander liefen u. tiefe Schatten ausgebreitet lagen. Und gerade diese Gegend, die mich vielleicht an eine aus meiner ersten Kindheit erinnerte, flüsterte mir eine tröstende Ideen-Assoziation zu: ich verband nämlich damit die Vorstellung, als würde der Weg zu einem jüdischen Friedhof führen, u. nun war ich glücklich darüber, daß mein Vater doch den vollen Einklang seines Lebens auch im Tode erreicht. – Ueber den schauerlichen Wonnen dieser {801} harmonischen Lösung erwachte ich. – Offenbar entstand der Traum zum Teil aus jenen Vorstellungen, die ich mit denen meiner Mutter teilte, wenn sie den Weg nach Kautzen am liebsten vermeiden möchte. *
© Transcription Marko Deisinger. |
7.
At Mama's with Lie-Liechen, where we meet Sophie and my brother-in-law. New plans concerning Mama are discussed; unfortunately the suggestions get all tangled up, and only one thing seems for certain: that Sophie will have notice given on the apartment recently taken up. {798} The matter is admittedly difficult and runs aground on no fewer than three egoistic factors, namely those of my two brothers and my sister. Although she is the only one to feel threatened immediately, I have the duty to defend myself against a much greater danger, namely against consequences that could extend beyond the fact itself; beyond consequences of the sort that do not threaten my siblings at all. For if I agree to a relative of my father's moving in with my mother, then I run the risk of having to provide for this person for the rest of his life – a danger that disappears if my mother were to live with one of my brothers or with my sister. My mother and my siblings would of course be calm, but it goes without saying that everyone will be quiet if they can let someone else bear the object of disquiet. *The morning papers report the conquest of Lodz, 1 and very heavy losses in battles in Serbia. 2 *In Alpheus's feuilleton, Darwinism spits out in the stupidest way; and precisely the consequences that are given to the theory of adaptation again best show, evidently, the falseness of idea of adaptation conceived by Darwin himself. 3 For if it were true that the giraffe's neck were extended so that it could bring down the leaves from the treetops, then I would not know why one could also say that it is only a chance happening that nature, instead of providing a long neck, had instead given it a human intellect, which would have also spared it such a long neck. And if the rhinoceros has organs that are adapted to combatting pernicious insects, then I would not know what nature did not rather come up with another provision if its mission was to obtain a protection against insects. Why should a rhinoceros take on this very form? One sees clearly that Darwin has transferred the knowledge of the function of many organs in a logically unsound way onto nature itself in order to ascribe to it, which in the absolute sense creates various organisms, something that is nonetheless teleological. {799} Adaptation itself cannot come near to explaining a particular organism, for in the one instance it remains to be explained why some other instance did not at all result from it!! *Postcard from Floriz, with a report of cases of influenza in his home. *Lie-Liechen withdraws 200 Kr. from the Dorotheum, against security, in order to pay part of a debt. *Mrs. Deutsch deliberately sets her watch incorrectly in order to arrive ten minutes early; in this way she is able to take part in the campaign to feed the poor. It is sad to consider how this lady is constituted; it does not occur to her to achieve the same purpose either by not coming to her lesson at all– which would have happened in any event if she had gone to Japan – or at least ceded to me the fifth quarter-hour, which is in any event a gift of grace for her. *For the first time in a long time, another number of Die Fackel ; this time truly impressive in conception and content. It is only a pity that the author is, by nature, unable to grasp how much a relationship to the world of the sort that he enjoys, could be used even more effectively by means of pathos rather than those of satire. It is true that neither pathos nor satire leads to its goal; but satire gains its effect by the author inflicting injury more upon the vanity of people and, in doing so, basically degrades them; whereas pathos keeps its distance just as honestly as is to be desired for the interests of the cause. Anyone who is not concerned with the vanity of others, and thus stands above all vanities, stands also above his own vanity and therefore, being free of all vanity, can act as a loudspeaker to serve an idea! *{800} Under the impression of the communication of the holiday, which came as a surprise, finally – for the first time in a long time – a walk along the entire length of the Ringstraße, until 10:30 in the evening. Unfortunately, our joy in the walk was mixed with echoes of concern about the new arrangements of things, and also premonitions of new concerns about coal. *At night I dream of my father's funeral procession, which in reality I did not actually attend. In the manner of a film, the situations were changed, merging into an incomprehensibly confused unity. The first part took place in my home town, on the way to the home of the tenant farmer, which lay about a quarter of an hour behind the town on a hill. The path was covered in snow and dung, and it was only with great difficulty that I made the ascent: the more feverishly, the more arduously. Arriving at the top, I found to my surprise that the hearse had not yet arrived; and now it seemed to me that I was hearing how people had made a path for the hearse by forming lines. Now with the hearse finally arrived, the scene suddenly changed – how strange – and I find myself in the middle of a church, and in fact in the choir of the church, which somehow was communicating freely with the snowy environment that encircled it. I did not really know whether I found myself on a hill, in the choir, inside or outside the church; I was astonished that I found myself in a church at all. Ladies handed me and my sister candies, and suddenly we were told that the funeral procession was moving. I look for it for a long time, but in vain; then I ask two boys who were standing on the balustrade of the choir, and they shooed me in the direction from which the funeral procession had left the church. Now I rushed after it; and I find myself again in completely different surroundings: a ravine-like valley, in which road and river ran close by one another, and where deep shadows lay spread out. And precisely this place, which perhaps reminded me of one from my earliest childhood, whispered to me a comforting association of ideas: I connected with this the notion that the path was leading to a Jewish cemetery, and now I was happy that my father had after all achieved the full accord of his life even in death. With these nightmarish joys {801} of this harmonious solution, I awoke. – Apparently the dream arose in part from those visions, which I shared with those of my mother, when she most preferred to avoid the route to Kautzen. *
© Translation William Drabkin. |
7.
Bei Mama mit Lie-Liechen, wo wir Sophie u. Schwager antreffen. Neue Pläne bezüglich der Mama werden erörtert, leider gehen die Vorschläge wirr durcheinander u. nur eines scheint festzustehen, daß Sophie die neuaufgenommene Wohnung zur Kündigung bringen wird. {798} Die Affaire ist freilich schwierig u. scheitert an nicht weniger als 3 Egoismen, nämlich meiner beiden Brüder u. der Schwester. Obgleich diese sich nur unmittelbar selbst bedroht fühlen, habe ich die Pflicht, mich gegen eine weit größere Gefahr zu wehren, nämlich gegen Folgen, die über das Faktum selbst hinausreichen könnten, über Folgen, wie sie meinen Geschwistern durchaus nicht drohen. Denn wenn ich zugebe, daß eine Verwandte meines Vaters zur Mutter zieht, so laufe ich Gefahr, diese Person den Rest ihres Lebens versorgen zu müssen, eine Gefahr die entfällt, wenn meine Mutter bei einem der Brüder oder der Schwester wäre. Meine Mutter u. meine Geschwister wären freilich ruhig, aber bekanntlich sind alle diejenigen R ruhig, die den Gegenstand der Unruhe einen Anderen tragen lassen. *Die Morgenblätter berichten von der Eroberung von Lodz 1 u. sehr verlustreichen Kämpfen in Serbien. 2 *Im Feuilleton des Alpheus spuckt der Darwinismus in dümmster Fassung u. gerade die Konsequenzen, die der Anpassungslehre gegeben werden, zeigen wieder am besten die offenbar schon von Darwin selbst falsch konzipierte Idee der Anpassung. 3 Denn wäre es richtig, daß die Giraffe ihren Hals so langgestreckt hat, um Laub von den Bäumen herunterholen zu können, so wüßte ich nicht, warum man nicht ebenso sagen könnte, daß es nur ein Zufall sei, wenn die Natur statt eines langen Halses ihr nicht etwa einen menschlichen Verstand gegeben hat, der ihr auch den längsten Hals erspart hätte. Und wenn das Nashorn Organe der Anpassung wider schlimme Insecten hat, so wüßte ich nicht, warum die Natur nicht lieber eine andere Vorsorge getroffen hätte wenn ihr darum zu tun war, einen Schutz wider Insecten zu erzielen. Warum mußte es gerade die Form eines Nashornes sein? Man sieht deutlich, daß Darwin die Erkenntnis von der Funktion mancher Organe in einer logisch unzulässigen Weise auf die Natur selbst transponiert hat, um ihr, die im absoluten Sinne verschiedene Organismen E erzeugt, dennoch Teleologisches zuzumuten. {799} Es ist eben mit der Anpassung ein bestimmter Organismus noch lange nicht erklärt, denn immer noch bliebe in dem einen Falle zu erklären übrig, warum daraus nicht gleich überhaupt ein anderer Fall geworden ist!! *Karte von Fl. mit Meldung von Influenzafällen in seinem Hause. *Lie-Liechen holt aus dem Dorotheum gegen Pfand über 200 Kr.[,] um den Teil einer Schuld zu begleichen. *Frau D. richtet sich ihre eigene Uhr eigens falsch, um 10 Min. früher erscheinen zu können u. dann auf diese Weise ihre Mitwirkung bei der Ausspeise-Aktion herausschlagen zu können. Traurig wie nun einmal diese Dame beschaffen ist, fällt es ihr nicht ein, denselben Zweck dadurch zu erreichen, daß sie entweder überhaupt nicht zur Stunde kommt – was ohnehin geschähe, wenn sie nach Japan gereist wäre – oder daß sie mindestens die fünfte Viertelstunde mir erläßt, die ja ohnehin ein Gnadengeschenk für die ist. *Seit Langem wieder eine Nummer der „Fackel“; diesmal wirklich imponierend an Gesinnung u. Gehalt. Schade nur, daß dem Autor von Natur aus versagt ist zu begreifen, wie sehr eine solche Beziehung zur Welt, wie er sie hat, noch schicklicher durch Mittel des Pathos als solche der Satire zur Wirkung gebracht wird. So richtig es ist, daß weder Pathos noch Satire zum Ziele führen, so bewirkt die Satire mehr [,] daß der Autor mehr die Eitelkeit der Menschen verletzt, u. sich solcherart im Grunde nur zu ihnen herabläßt, während das Pathos die Distanz genau so aufrecht erhält, wie es im Interesse der Sache wirklich wünschenswert ist. Wer sich um die Eitelkeit der anderen nicht bekümmert, u. so über sämtlichen Eitelkeiten steht, steht auch über der eigenen u. kann daher, frei von jeder Eitelkeit, am besten als Sprachrohr einer Idee dienen! *{800} Unter dem Eindruck der Mitteilung vom Feiertag, die überraschend kam, endlich seit langem ein Spaziergang die ganze Ringstraße entlang bis abends ½11h. Leider mischten sich in die Freuden des Spazierganges Nachklänge der Sorge um die Neuordnung der Dinge, wie auch Vorklänge neuer Sorgen um Kohle. *Des nachts [sic] träume ich vom Leichenbegängnis meines Vaters, dem ich in Wirklichkeit ja nicht beigewohnt habe. Filmartig wechselten die Situationen u. verdichteten sich zu einer unbegreiflich wirren Einheit. Der erste Teil spielte sich in meiner Vaterstadt, auf dem Wege zum Hause des Gutspächters ab, das etwa eine Viertelstunde hinter der Stadt auf einer Anhöhe liegt. Der Weg war voll Schnee u. Koth u. nur sehr mühsam arbeitete ich mich zu jener Anhöhe empor, desto fieberhafter, je mühsamer. Oben angekommen fand ich seltsamerweise den Leichenwagen noch nicht vor, u. nun schien es mir, als hörte ich wie Menschen dem Leichenwagen den Weg mit Sparten bahnten. Nun der Leichenwagen endlich eingetroffen, wechselt – wie seltsam – plötzlich die Scenerie u. ich befinde mich mitten in einer Kirche, u. zw. auf dem Chore der Kirche, die irgendwie frei mit der sie rings umgebenden Schneenatur communizierte. Ich wußte nicht recht, ob ich auf einer Anhöhe, ob auf dem Chore, innerhalb oder außerhalb einer Kirche mich befinde, staunte darüber, daß ich überhaupt in einer Kirche mich befinde, Damen reichten mir u. meiner Schwester Bonbons, u. plötzlich hieß es, der Leichenzug habe sich in Bewegung gesetzt. Ich suche ihn lange, allein vergebens; da fragte ich zwei Knaben, die an der Brüstung des Chores standen u. diese zeigten mir die Richtung, nach der der Leichenzug die Kirche verlassen [hatte]. Nun stürzte ich ihm nach u. befinde mich wieder in einer ganz anderen Umgebung, in einem schluchtartigen Tale, wo Straße u. Fluß dicht nebeneinander liefen u. tiefe Schatten ausgebreitet lagen. Und gerade diese Gegend, die mich vielleicht an eine aus meiner ersten Kindheit erinnerte, flüsterte mir eine tröstende Ideen-Assoziation zu: ich verband nämlich damit die Vorstellung, als würde der Weg zu einem jüdischen Friedhof führen, u. nun war ich glücklich darüber, daß mein Vater doch den vollen Einklang seines Lebens auch im Tode erreicht. – Ueber den schauerlichen Wonnen dieser {801} harmonischen Lösung erwachte ich. – Offenbar entstand der Traum zum Teil aus jenen Vorstellungen, die ich mit denen meiner Mutter teilte, wenn sie den Weg nach Kautzen am liebsten vermeiden möchte. *
© Transcription Marko Deisinger. |
7.
At Mama's with Lie-Liechen, where we meet Sophie and my brother-in-law. New plans concerning Mama are discussed; unfortunately the suggestions get all tangled up, and only one thing seems for certain: that Sophie will have notice given on the apartment recently taken up. {798} The matter is admittedly difficult and runs aground on no fewer than three egoistic factors, namely those of my two brothers and my sister. Although she is the only one to feel threatened immediately, I have the duty to defend myself against a much greater danger, namely against consequences that could extend beyond the fact itself; beyond consequences of the sort that do not threaten my siblings at all. For if I agree to a relative of my father's moving in with my mother, then I run the risk of having to provide for this person for the rest of his life – a danger that disappears if my mother were to live with one of my brothers or with my sister. My mother and my siblings would of course be calm, but it goes without saying that everyone will be quiet if they can let someone else bear the object of disquiet. *The morning papers report the conquest of Lodz, 1 and very heavy losses in battles in Serbia. 2 *In Alpheus's feuilleton, Darwinism spits out in the stupidest way; and precisely the consequences that are given to the theory of adaptation again best show, evidently, the falseness of idea of adaptation conceived by Darwin himself. 3 For if it were true that the giraffe's neck were extended so that it could bring down the leaves from the treetops, then I would not know why one could also say that it is only a chance happening that nature, instead of providing a long neck, had instead given it a human intellect, which would have also spared it such a long neck. And if the rhinoceros has organs that are adapted to combatting pernicious insects, then I would not know what nature did not rather come up with another provision if its mission was to obtain a protection against insects. Why should a rhinoceros take on this very form? One sees clearly that Darwin has transferred the knowledge of the function of many organs in a logically unsound way onto nature itself in order to ascribe to it, which in the absolute sense creates various organisms, something that is nonetheless teleological. {799} Adaptation itself cannot come near to explaining a particular organism, for in the one instance it remains to be explained why some other instance did not at all result from it!! *Postcard from Floriz, with a report of cases of influenza in his home. *Lie-Liechen withdraws 200 Kr. from the Dorotheum, against security, in order to pay part of a debt. *Mrs. Deutsch deliberately sets her watch incorrectly in order to arrive ten minutes early; in this way she is able to take part in the campaign to feed the poor. It is sad to consider how this lady is constituted; it does not occur to her to achieve the same purpose either by not coming to her lesson at all– which would have happened in any event if she had gone to Japan – or at least ceded to me the fifth quarter-hour, which is in any event a gift of grace for her. *For the first time in a long time, another number of Die Fackel ; this time truly impressive in conception and content. It is only a pity that the author is, by nature, unable to grasp how much a relationship to the world of the sort that he enjoys, could be used even more effectively by means of pathos rather than those of satire. It is true that neither pathos nor satire leads to its goal; but satire gains its effect by the author inflicting injury more upon the vanity of people and, in doing so, basically degrades them; whereas pathos keeps its distance just as honestly as is to be desired for the interests of the cause. Anyone who is not concerned with the vanity of others, and thus stands above all vanities, stands also above his own vanity and therefore, being free of all vanity, can act as a loudspeaker to serve an idea! *{800} Under the impression of the communication of the holiday, which came as a surprise, finally – for the first time in a long time – a walk along the entire length of the Ringstraße, until 10:30 in the evening. Unfortunately, our joy in the walk was mixed with echoes of concern about the new arrangements of things, and also premonitions of new concerns about coal. *At night I dream of my father's funeral procession, which in reality I did not actually attend. In the manner of a film, the situations were changed, merging into an incomprehensibly confused unity. The first part took place in my home town, on the way to the home of the tenant farmer, which lay about a quarter of an hour behind the town on a hill. The path was covered in snow and dung, and it was only with great difficulty that I made the ascent: the more feverishly, the more arduously. Arriving at the top, I found to my surprise that the hearse had not yet arrived; and now it seemed to me that I was hearing how people had made a path for the hearse by forming lines. Now with the hearse finally arrived, the scene suddenly changed – how strange – and I find myself in the middle of a church, and in fact in the choir of the church, which somehow was communicating freely with the snowy environment that encircled it. I did not really know whether I found myself on a hill, in the choir, inside or outside the church; I was astonished that I found myself in a church at all. Ladies handed me and my sister candies, and suddenly we were told that the funeral procession was moving. I look for it for a long time, but in vain; then I ask two boys who were standing on the balustrade of the choir, and they shooed me in the direction from which the funeral procession had left the church. Now I rushed after it; and I find myself again in completely different surroundings: a ravine-like valley, in which road and river ran close by one another, and where deep shadows lay spread out. And precisely this place, which perhaps reminded me of one from my earliest childhood, whispered to me a comforting association of ideas: I connected with this the notion that the path was leading to a Jewish cemetery, and now I was happy that my father had after all achieved the full accord of his life even in death. With these nightmarish joys {801} of this harmonious solution, I awoke. – Apparently the dream arose in part from those visions, which I shared with those of my mother, when she most preferred to avoid the route to Kautzen. *
© Translation William Drabkin. |
Footnotes1 "Lodz erobert!," Neues Wiener Journal, No. 7586, December 7, 1914, 22nd year, p. 1. "Lodz erobert. Die Russen nach schweren Verlusten am Rückzug," Neues Wiener Tagblatt, No. 338, December 7, 1914, 48th year, p. 1. 2 "Unsere Offensive in Serbien," Neues Wiener Tagblatt, No. 338, December 7, 1914, 48th year, p. 2. "Fortgesetzte heftige Kämpfe in Serbien," Der Morgen, No. 49, December 7, 1914, 5th year, p. 1. 3 Alpheus, "Der Staatsanwalt als Erzieher," Der Morgen, No. 49, December 7, 1914, 5th year, pp. 4–5. |