3. IV. 16 Wolkenlos!
— Erneuerung der Lose. — Rechnung an Gisela beglichen. — — Der „Morgen“ bringt eine pikante Abfertigung Kalbecks als eines Herolds für Korngold. 1 Freilich noch amüsanter liest sich, was im „Merker“ zum Falle Korngold gebracht wird. 2 Als seinerzeit Vater Korngold von Strauss, Kretzschmar, Nikisch, Weingartner u. s. w. sich Atteste für seinen Sohn erbat, u. sie hauptsächlich in seiner Eigenschaft als Referent der „N. Fr. Pr.“ erhielt, empfand er keine besondere Unregelmäßigkeit darin, daß der Referent für seinen eigenen Sohn wirbt, da es um Vorteil ging. Doch da es andererseits um Nachteil geht, wenn man des Vaters Praktiken dem Jungen vorhält, so besteht der Vater auf reinlicher Scheidung zwischen ihm u. dem Sohn, dem Referenten und dem Komponi tsten. Er, der Referent beklagt sich über die Unbill, die seinem Sohne zugefügt werden, obgleich er selbst gerade solche Unbill anderen zugefügt. Aber was das Possierlichste ist: um den Leuten jede schärfere Kritik des Sohnes unmöglich zu machen, wagt er die lügnerische Unterstellung, als würde jeder, der des Sohnes Arbeiten mißbilligt, dies nur deshalb tun, weil man offenbar nur ihn, den Referenten, treffen will. Dadurch hofft der Vater jedes absprechende Urteil als mehr wider ihn selbst als gegen den Sohn gerichtet schlau discreditieren zu zu [sic] können. Eines aber ist gewiß: Keinerlei Praktiken können eine schlechte Arbeit zur guten befördern. *Fl. hat sich mitten in Kriegszeiten den Luxus einer Vaterschaft geleistet. 3 In Anbetracht der schwerwiegenden Umständen, wie des Krieges überhaupt u. der damit verbundenen Teuerung, sodann seines Kriegsdienstes im Speziellen, wobei es noch nicht einmal so ausgemacht ist, ob ihm nicht vielleicht ein här- {184} terer Dienst bevorsteht, scheint mir die Unerschrockenheit in der Lust Vater zu werden vor allem auf eine überaus günstige finanzielle Situation hinzuweisen. Daß er gleich von vornherein etwa nur an fremde Hilfe dächte, u. so gewissermaßen im Einverständnis mit Mäzenen das Kind machte, scheint mir zweifelhaft; , aber deshalb nur desto sicherer, daß ihm seine Finanzlage den Luxus der Entbindung, des Sanatoriums usw. ohneweiters gestattet. In diesem Zusammenhang mag vielleicht seiner Schwester gegenüber in gewisser Hinsicht Abbitte zu leisten sein; wer weiß, ob die knappe Hand der Frau W., die wir selbst ja schließlich jeden zweiten Donnerstag staunend unangenehm an unserem Leib wahrnehmen, nicht allzu sehr im Widerspruch gegen das war, was sie von ihres Bruders materieller Situation dachte. Wenigstens beklagt sich Fr. W. uns gegenüber oft genug über angeblich unbillige Forderungen des Fräuleins Fanny, die wir heute denn doch in einem anderen Lichte zu sehen genötigt sind. Ebenso ist die Aufgebrachtheit wider Pollaks, die aus der Lebensweise des Hauses V., nicht anders als wie wir selbst, auf bessere Verhältnisse schließen mußten, offenbar im selben Maße eine ungerechtfertigte, je besser das Ehepaar bei sich weiß, was es dem aAnderen gegenüber so geflissentlich verschweigt. Daß Fl. speziell mir gegenüber das Günstige ableugnet, fällt umso schändlicher auf ihn zurück, als er nur zu gut weiß, wie wenig ich selbst im grellsten Notfall Lust dazu empfände, gerade ihn um Hilfe anzugehen. Beinahe riecht diese Vorsicht nach dem absoluten Laster des Geiz ehalses, der dem Laster fröhnen [sic] würde auch dort dann, w oenn keine Gefahr ihm droht. — *
© Transcription Marko Deisinger. |
April 3, 1916, cloudless!
— Renewal of lottery tickets. — Invoice paid to Gisela. — — Der Morgen publishes a piquant dispatch by Kalbeck, as a herald for Korngold. 1 It is even more amusing, of course, to read what Der Merker has to say about the Korngold case. 2 When, some time ago, his father asked for Strauss, Kretzschmar, Nikisch, Weingartner and others for attestations for his son and received them mainly in his capacity as reviewer for the Neue Freie Presse , he perceived no particular irregularity in recruiting, as the reviewer, for his own son, though it was a matter of gaining an advantage. But since, on the other hand, it is a disadvantage if one confronts the youth with his father’s practical experience, the father insists on a clean separation between him and his son, between the reviewer and the composers. He, the reviewer, complains about the critique to which his son is subjected, although he himself subjects others to those very same critique. But the most absurd thing of all is that, in order to make it impossible for the people to criticize his son more severely, he dares to make this deceitful insinuation, as if everyone who criticizes his son’s work does so only because they only want to get at him, the critic. In this way, the father is hoping to slyly discredit every negative review as something directed more at him than at his son. One thing, however, is certain: no amount of practical experience can promote a bad work to the level of a good one. *In the middle of wartime, Floriz has achieved for himself the luxury of a fatherhood.[ 3 ] In view of the grave circumstances such as the war itself and its associated price rises, and also his military service in particular – whereby it is uncertain as to whether an even more arduous service awaits him – {184} his fearlessness in the joy of becoming a father seems, to me, to point above all to a thoroughly favorable financial situation. That he was thinking at the very outset only about the help of others, and thus to some extent created his child with the consent of patrons, seems doubtful to me. But for this reason I am all the more sure that his financial position permits him the luxury of [assistance in] childbearing, hospitalization, and so on, without further ado. In this respect his sister might deserve an apology; who knows whether the parsimonious hand of his wife Valerie, whom we ourselves have the displeasure of confronting every other Thursday, might not have been so very much at variance with what she [Fanny] thought of her brother’s material situation. At least Valerie complains to us often enough about the apparently undue demands of Fanny, whom we are now obliged to see in a different light. Likewise it is the resentment shown against the Pollaks, who must think – no differently from us – that the Violin household is in better order, on account of its lifestyle, is evidently equally unjustified, the better the couple are aware of what they so deliberately withhold from others. That Floriz denies me, in particular, that which would benefit me will rebound on him all the more painfully: for he knows only too well how little joy I would feel about approaching him for assistance, even in my direst need. This cautiousness smells almost of the absolute wretchedness of a miser who would indulge in his vice even when no danger threatens him. — *
© Translation William Drabkin. |
3. IV. 16 Wolkenlos!
— Erneuerung der Lose. — Rechnung an Gisela beglichen. — — Der „Morgen“ bringt eine pikante Abfertigung Kalbecks als eines Herolds für Korngold. 1 Freilich noch amüsanter liest sich, was im „Merker“ zum Falle Korngold gebracht wird. 2 Als seinerzeit Vater Korngold von Strauss, Kretzschmar, Nikisch, Weingartner u. s. w. sich Atteste für seinen Sohn erbat, u. sie hauptsächlich in seiner Eigenschaft als Referent der „N. Fr. Pr.“ erhielt, empfand er keine besondere Unregelmäßigkeit darin, daß der Referent für seinen eigenen Sohn wirbt, da es um Vorteil ging. Doch da es andererseits um Nachteil geht, wenn man des Vaters Praktiken dem Jungen vorhält, so besteht der Vater auf reinlicher Scheidung zwischen ihm u. dem Sohn, dem Referenten und dem Komponi tsten. Er, der Referent beklagt sich über die Unbill, die seinem Sohne zugefügt werden, obgleich er selbst gerade solche Unbill anderen zugefügt. Aber was das Possierlichste ist: um den Leuten jede schärfere Kritik des Sohnes unmöglich zu machen, wagt er die lügnerische Unterstellung, als würde jeder, der des Sohnes Arbeiten mißbilligt, dies nur deshalb tun, weil man offenbar nur ihn, den Referenten, treffen will. Dadurch hofft der Vater jedes absprechende Urteil als mehr wider ihn selbst als gegen den Sohn gerichtet schlau discreditieren zu zu [sic] können. Eines aber ist gewiß: Keinerlei Praktiken können eine schlechte Arbeit zur guten befördern. *Fl. hat sich mitten in Kriegszeiten den Luxus einer Vaterschaft geleistet. 3 In Anbetracht der schwerwiegenden Umständen, wie des Krieges überhaupt u. der damit verbundenen Teuerung, sodann seines Kriegsdienstes im Speziellen, wobei es noch nicht einmal so ausgemacht ist, ob ihm nicht vielleicht ein här- {184} terer Dienst bevorsteht, scheint mir die Unerschrockenheit in der Lust Vater zu werden vor allem auf eine überaus günstige finanzielle Situation hinzuweisen. Daß er gleich von vornherein etwa nur an fremde Hilfe dächte, u. so gewissermaßen im Einverständnis mit Mäzenen das Kind machte, scheint mir zweifelhaft; , aber deshalb nur desto sicherer, daß ihm seine Finanzlage den Luxus der Entbindung, des Sanatoriums usw. ohneweiters gestattet. In diesem Zusammenhang mag vielleicht seiner Schwester gegenüber in gewisser Hinsicht Abbitte zu leisten sein; wer weiß, ob die knappe Hand der Frau W., die wir selbst ja schließlich jeden zweiten Donnerstag staunend unangenehm an unserem Leib wahrnehmen, nicht allzu sehr im Widerspruch gegen das war, was sie von ihres Bruders materieller Situation dachte. Wenigstens beklagt sich Fr. W. uns gegenüber oft genug über angeblich unbillige Forderungen des Fräuleins Fanny, die wir heute denn doch in einem anderen Lichte zu sehen genötigt sind. Ebenso ist die Aufgebrachtheit wider Pollaks, die aus der Lebensweise des Hauses V., nicht anders als wie wir selbst, auf bessere Verhältnisse schließen mußten, offenbar im selben Maße eine ungerechtfertigte, je besser das Ehepaar bei sich weiß, was es dem aAnderen gegenüber so geflissentlich verschweigt. Daß Fl. speziell mir gegenüber das Günstige ableugnet, fällt umso schändlicher auf ihn zurück, als er nur zu gut weiß, wie wenig ich selbst im grellsten Notfall Lust dazu empfände, gerade ihn um Hilfe anzugehen. Beinahe riecht diese Vorsicht nach dem absoluten Laster des Geiz ehalses, der dem Laster fröhnen [sic] würde auch dort dann, w oenn keine Gefahr ihm droht. — *
© Transcription Marko Deisinger. |
April 3, 1916, cloudless!
— Renewal of lottery tickets. — Invoice paid to Gisela. — — Der Morgen publishes a piquant dispatch by Kalbeck, as a herald for Korngold. 1 It is even more amusing, of course, to read what Der Merker has to say about the Korngold case. 2 When, some time ago, his father asked for Strauss, Kretzschmar, Nikisch, Weingartner and others for attestations for his son and received them mainly in his capacity as reviewer for the Neue Freie Presse , he perceived no particular irregularity in recruiting, as the reviewer, for his own son, though it was a matter of gaining an advantage. But since, on the other hand, it is a disadvantage if one confronts the youth with his father’s practical experience, the father insists on a clean separation between him and his son, between the reviewer and the composers. He, the reviewer, complains about the critique to which his son is subjected, although he himself subjects others to those very same critique. But the most absurd thing of all is that, in order to make it impossible for the people to criticize his son more severely, he dares to make this deceitful insinuation, as if everyone who criticizes his son’s work does so only because they only want to get at him, the critic. In this way, the father is hoping to slyly discredit every negative review as something directed more at him than at his son. One thing, however, is certain: no amount of practical experience can promote a bad work to the level of a good one. *In the middle of wartime, Floriz has achieved for himself the luxury of a fatherhood.[ 3 ] In view of the grave circumstances such as the war itself and its associated price rises, and also his military service in particular – whereby it is uncertain as to whether an even more arduous service awaits him – {184} his fearlessness in the joy of becoming a father seems, to me, to point above all to a thoroughly favorable financial situation. That he was thinking at the very outset only about the help of others, and thus to some extent created his child with the consent of patrons, seems doubtful to me. But for this reason I am all the more sure that his financial position permits him the luxury of [assistance in] childbearing, hospitalization, and so on, without further ado. In this respect his sister might deserve an apology; who knows whether the parsimonious hand of his wife Valerie, whom we ourselves have the displeasure of confronting every other Thursday, might not have been so very much at variance with what she [Fanny] thought of her brother’s material situation. At least Valerie complains to us often enough about the apparently undue demands of Fanny, whom we are now obliged to see in a different light. Likewise it is the resentment shown against the Pollaks, who must think – no differently from us – that the Violin household is in better order, on account of its lifestyle, is evidently equally unjustified, the better the couple are aware of what they so deliberately withhold from others. That Floriz denies me, in particular, that which would benefit me will rebound on him all the more painfully: for he knows only too well how little joy I would feel about approaching him for assistance, even in my direst need. This cautiousness smells almost of the absolute wretchedness of a miser who would indulge in his vice even when no danger threatens him. — *
© Translation William Drabkin. |
Footnotes1 "Karikatur der Woche. Max Kalbeck im N. W. Tagblatt," Der Morgen, No. 14, April 3, 1916, 7th year, p. 5. 2 Ludwig Karpath, "Verehrer des jungen Korngold," Der Merker 7/7, April 1, 1916, pp. 269-272. 3 The Violins’ second child, Genoveva, was born on November 6, 1916; so Valerie Violin must have been about two months pregnant with her in early April. |