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OJ 14/45, [71] - Handwritten letter from Moriz Violin to Schenker, dated July 18, 1928
[printed letterhead of the Sanatorium Schierke]
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⇧ Schierke im Harz, den ⇧ 18. Juli ⇧ 19⇧ 28 Mein liebster H.! 2 Ich wollte postwendend Deine l. Karte= OJ 8/4, [55] (Prof. Stein) beantworten. Ich wurde aber gar plötzlich von einem völligen Zusammenbruch überraschend. Vally schrieb in ihrer argen Not an ihren Bruder Julo, der mir gleich telegraphisch das Geld sandte, mit welchem ich im Stande bin, mich hier notwendigerweise aufbügeln zu lassen. Es wird alles wieder gut werden. Ich sehe alles so an, wie ich es ansehen muss u. bin deshalb auch ganz ruhig u. hoffe, daß diese Mittheilung auch Dir keine Secunde trüben wird. Mit Prof Stein geht es mir, wie es einem immer mit aufgeblasenen Existenzen ergeht. Du ahnst nicht wie er mir nachlief, um {2} 1) Deine Händel-Sache durch mich in Ordnung bringen zu lassen u. 2) durch mich die Vortragsidee fördern zu lassen. Gleich nach meiner Rückkunft von Wien, schrieb ich ihm 1 Brief u. 1 Karte in all dieser Angelgegenheit – – – Ich bin bis heute ohne Antwort. Ich werde den Herrn schon erwischen. Wegen Deines Manuskripts will ich ihm kurz u. fordernd im August † erst schreiben. Da dürfte er, wie alle Menschen, schon zurück von seinen Sommerurlaub sein. Jetzt könnte zu leicht eine Nachsendeschiebung für ihn möglich werden u. ich will ihm nur Gelegenheit geben, die Rücksendung Deines Manuskripts nur auf Grund meiner Anforderung erfolgen zu lassen. Damit bist Du doch einverstanden. Kurz vor den Ferien, erlebte ich eine sehr nette Affaire u. die Mittheilung derselben {3} verzögerte sich ebenfalls durch meine Erkrankung. Ich habe einen Schüler Harry Hahn, mit dem ich beim Unterricht seit einem Jahr nur über Kunst u. weniger über sein nicht gerade zukunftsreiches Klavierspiel sprach. Er ist Leiter einer Arbeitsgemeinschaft des hiesigen Tonkünstlerverbandes. Innerhalb dieser Gemeinschaft verzapfte er sein Wissen um Riemann, Kurt[h] , Ästhetik, Pädagogik, Jugendbewegung u. Tod u. Teufel. Ich nahm ihn sehr her u. spannte ihn intensivst in[corr] die Arbeit Deiner Werke ein. Plötzlich überrascht er mich u. hält am 27 Juni einen Vortrag über die Urlinie in der Arbeitsgemeinschaft an. Ich schlug die Hände über den Kopf zusammen u. frug ihn wie er sich das vorstelle? Verbieten könnte ich es ihm nicht, denn Deine erschienenen Werke sind öffentliches Gut u. solches ist eben – – vogelfrei. Ich ging auf seinen Wunsch in den Vortrag u. benahm mich wie der amerikanische {4} Beobachter beim Völkerbund. Wie es auch naturgemäß beschränkt, war – – ich war freudig überrascht, wie geschickt er es immerhin im Begrifflichen machte, was ich schon daran festellen konnte, weil aus dem Auditorium schon sehr kluge Fragen gestellt wurden. Im Herbst wollen sie weitermachen. Lass sie man – wie man hier sagt –; ich finde es sehr erfreulich. Ein Bach-Praeludium u. ein Schubert-Walzer in Deiner Urlinienprovenienz, hat er in Schultafelumfang vergrößern lassen. Dies schaute bildschön aus. Diese 2 sauberen Exemplare schicke ich Dir im August noch nach Galtür. Nun genug; vor allem leider für mich! © Transcription William Drabkin, 2013 |
[printed letterhead of the Sanatorium Schierke]
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⇧ Schierke in the Harz, ⇧ July 18 ⇧ 19⇧ 28 My dearest Heinrich, 2 I was hoping to answer your lovely postcard= OJ 8/4, [55], concerning Prof. Stein, by return of post. But I was suddenly overcome by a complete breakdown. In deepest desperation, Vally wrote to her brother Julo, who wired me the money with which I have been able to get myself sorted out here, as necessary. Things will turn out all right. I look at all things in the way I must look at them and am therefore also quite at peace; and I hope that this communication will not dampen your spirits for a moment, either. My relationship with Prof. Stein is the same as I would have with any puffed-up being. You have no idea how he pursued me, so that {2} 1) he could, with my help, put your Handel materials in order, and 2) use me to help promote a possible performance. Immediately after I returned from Vienna, I wrote a letter and a postcard about the entire matter – – – To this day I have not received a reply. Somehow I'll catch up with the fellow. With regard to your manuscript, I shall not write until August † , curtly and insistently. By then he should have returned, like everyone else, from his summer holiday. At this moment, it would be too easy for him to fiddle things with the forwarding; and I will only give him an opportunity to return the manuscript only on the basis of a request from me. On this you will surely be in agreement. Shorly before the holidays, I had a very nice experience; and the communication of it {3} was likewise delayed by my illness. I have a pupil by the name of Harry Hahn, with whom I have been for a year speaking with him in his lessons only about art and less about his not exactly promising piano playing. He is the leader of a worker's community of the local society of composers. Within this community, he babbled his wisdom about Riemann, Kurth, aesthetics, pedagogy, youth movement, and death and damnation. I gave him a good talking-to, and encouraged him most intensively in the study of your works. Suddenly he surprised me, saying that he would be giving a lecture on June 27 about the Urlinie in the worker's community. I threw my hands up in horror and asked him how he could imagine doing such a thing. I could not prevent him, since your published works are available to all, and so they are indeed – – fair game. At his invitation, I went to the lecture, behaving like the American {4} observer at the League of Nations. As limited as it naturally was, I was pleasantly surprised by how skilfully he managed to do this from the conceptual point of view, something that I was able to confirm from the fact that very intellegent questions were asked by members of the audience. In the autumn, they want to go further. "Let them go ahead," as we say here: I find it very gratifying. He took a Bach prelude and a Schubert waltz from your source of Urlinie graphs and had them enlarged to the dimensions of a schoolroom blackboard. These looked very attractive. I shall send you these two clear examples to Galtür in August. Enough for now; above all, unfortunately, for me! © Translation William Drabkin, 2013 |
[printed letterhead of the Sanatorium Schierke]
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⇧ Schierke im Harz, den ⇧ 18. Juli ⇧ 19⇧ 28 Mein liebster H.! 2 Ich wollte postwendend Deine l. Karte= OJ 8/4, [55] (Prof. Stein) beantworten. Ich wurde aber gar plötzlich von einem völligen Zusammenbruch überraschend. Vally schrieb in ihrer argen Not an ihren Bruder Julo, der mir gleich telegraphisch das Geld sandte, mit welchem ich im Stande bin, mich hier notwendigerweise aufbügeln zu lassen. Es wird alles wieder gut werden. Ich sehe alles so an, wie ich es ansehen muss u. bin deshalb auch ganz ruhig u. hoffe, daß diese Mittheilung auch Dir keine Secunde trüben wird. Mit Prof Stein geht es mir, wie es einem immer mit aufgeblasenen Existenzen ergeht. Du ahnst nicht wie er mir nachlief, um {2} 1) Deine Händel-Sache durch mich in Ordnung bringen zu lassen u. 2) durch mich die Vortragsidee fördern zu lassen. Gleich nach meiner Rückkunft von Wien, schrieb ich ihm 1 Brief u. 1 Karte in all dieser Angelgegenheit – – – Ich bin bis heute ohne Antwort. Ich werde den Herrn schon erwischen. Wegen Deines Manuskripts will ich ihm kurz u. fordernd im August † erst schreiben. Da dürfte er, wie alle Menschen, schon zurück von seinen Sommerurlaub sein. Jetzt könnte zu leicht eine Nachsendeschiebung für ihn möglich werden u. ich will ihm nur Gelegenheit geben, die Rücksendung Deines Manuskripts nur auf Grund meiner Anforderung erfolgen zu lassen. Damit bist Du doch einverstanden. Kurz vor den Ferien, erlebte ich eine sehr nette Affaire u. die Mittheilung derselben {3} verzögerte sich ebenfalls durch meine Erkrankung. Ich habe einen Schüler Harry Hahn, mit dem ich beim Unterricht seit einem Jahr nur über Kunst u. weniger über sein nicht gerade zukunftsreiches Klavierspiel sprach. Er ist Leiter einer Arbeitsgemeinschaft des hiesigen Tonkünstlerverbandes. Innerhalb dieser Gemeinschaft verzapfte er sein Wissen um Riemann, Kurt[h] , Ästhetik, Pädagogik, Jugendbewegung u. Tod u. Teufel. Ich nahm ihn sehr her u. spannte ihn intensivst in[corr] die Arbeit Deiner Werke ein. Plötzlich überrascht er mich u. hält am 27 Juni einen Vortrag über die Urlinie in der Arbeitsgemeinschaft an. Ich schlug die Hände über den Kopf zusammen u. frug ihn wie er sich das vorstelle? Verbieten könnte ich es ihm nicht, denn Deine erschienenen Werke sind öffentliches Gut u. solches ist eben – – vogelfrei. Ich ging auf seinen Wunsch in den Vortrag u. benahm mich wie der amerikanische {4} Beobachter beim Völkerbund. Wie es auch naturgemäß beschränkt, war – – ich war freudig überrascht, wie geschickt er es immerhin im Begrifflichen machte, was ich schon daran festellen konnte, weil aus dem Auditorium schon sehr kluge Fragen gestellt wurden. Im Herbst wollen sie weitermachen. Lass sie man – wie man hier sagt –; ich finde es sehr erfreulich. Ein Bach-Praeludium u. ein Schubert-Walzer in Deiner Urlinienprovenienz, hat er in Schultafelumfang vergrößern lassen. Dies schaute bildschön aus. Diese 2 sauberen Exemplare schicke ich Dir im August noch nach Galtür. Nun genug; vor allem leider für mich! © Transcription William Drabkin, 2013 |
[printed letterhead of the Sanatorium Schierke]
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⇧ Schierke in the Harz, ⇧ July 18 ⇧ 19⇧ 28 My dearest Heinrich, 2 I was hoping to answer your lovely postcard= OJ 8/4, [55], concerning Prof. Stein, by return of post. But I was suddenly overcome by a complete breakdown. In deepest desperation, Vally wrote to her brother Julo, who wired me the money with which I have been able to get myself sorted out here, as necessary. Things will turn out all right. I look at all things in the way I must look at them and am therefore also quite at peace; and I hope that this communication will not dampen your spirits for a moment, either. My relationship with Prof. Stein is the same as I would have with any puffed-up being. You have no idea how he pursued me, so that {2} 1) he could, with my help, put your Handel materials in order, and 2) use me to help promote a possible performance. Immediately after I returned from Vienna, I wrote a letter and a postcard about the entire matter – – – To this day I have not received a reply. Somehow I'll catch up with the fellow. With regard to your manuscript, I shall not write until August † , curtly and insistently. By then he should have returned, like everyone else, from his summer holiday. At this moment, it would be too easy for him to fiddle things with the forwarding; and I will only give him an opportunity to return the manuscript only on the basis of a request from me. On this you will surely be in agreement. Shorly before the holidays, I had a very nice experience; and the communication of it {3} was likewise delayed by my illness. I have a pupil by the name of Harry Hahn, with whom I have been for a year speaking with him in his lessons only about art and less about his not exactly promising piano playing. He is the leader of a worker's community of the local society of composers. Within this community, he babbled his wisdom about Riemann, Kurth, aesthetics, pedagogy, youth movement, and death and damnation. I gave him a good talking-to, and encouraged him most intensively in the study of your works. Suddenly he surprised me, saying that he would be giving a lecture on June 27 about the Urlinie in the worker's community. I threw my hands up in horror and asked him how he could imagine doing such a thing. I could not prevent him, since your published works are available to all, and so they are indeed – – fair game. At his invitation, I went to the lecture, behaving like the American {4} observer at the League of Nations. As limited as it naturally was, I was pleasantly surprised by how skilfully he managed to do this from the conceptual point of view, something that I was able to confirm from the fact that very intellegent questions were asked by members of the audience. In the autumn, they want to go further. "Let them go ahead," as we say here: I find it very gratifying. He took a Bach prelude and a Schubert waltz from your source of Urlinie graphs and had them enlarged to the dimensions of a schoolroom blackboard. These looked very attractive. I shall send you these two clear examples to Galtür in August. Enough for now; above all, unfortunately, for me! © Translation William Drabkin, 2013 |
Footnotes1 The complete text of the printed letterhead, which is centred at the top of the first page of the letter, reads: "Sanatorium Schierke / Chefarzt Dr. R. F. Weiß / Telegramm-Addresse: Sanatorium Schierke – Fernsprecher: Amt Schierke Nr. 29 und 30 / Bank-Konto: Städtische Sparkasse Wernigerode – Postscheck-Konto: Magdeburg Nr. 2315 / — / Das ganze Jahr geöffnet". 2 Receipt of this letter is recorded in Schenker's diary at OJ 4/1, p. 3229 (July 20, 1928): "Von Floriz (Br. aus dem Sanatorium Schierke): erzählt von seinem Zusammenbruch, von der Hilfsbereitschaft seines Schwagers Julo; wird Prof. Stein zur Rücksendung des Manuscripts veranlassen. Ein Schüler von ihm, Harry Hahn, der einen Tonkünstler-Verband leitet, gibt sich mit der Urlinie ab, zu welchem Zweck er Tafeln aus den Jahrbuchern vergrößert vorführt." ("From Floriz (letter from the hospital in Schierke): he writes about his breakdown, of the generosity of his brother-in-law Julo; he will ask Prof. Stein to return the manuscript. A pupil of his, Harry Hahn, who leads a society of composers, devotes himself to the Urlinie, to which purposes he presents enlargements of graphs from my Yearbooks.") |
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Format† Double underlined |
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Commentary
Digital version created: 2013-07-14 |