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OJ 6/8, [6] - Handwritten letter from Schenker to Violin, dated September 28, 1931
Mit der Antwort auf deine beiden lieben Briefe u. Beilagen habe ich aus dem Grunde
gezögert, weil ich deine l. Fanny erst
ausholen wollte, um damit das Gesamtbild zu ergänzen. Ich bin nun wie bei dir zuhause, in
all deinen Räumen, (= Lokal-Augenschein), weiß Bescheid
über alle Schwierigkeiten deiner Lage, Hemmungen u. Gegenerschaften, also beginne ich mit
einer „Broche“:
2
[cued from lower margin:] ⇧ Tagebuch 15.XI.1922? / S. 2476[end cue] 3 [⇧ Höchst überrascht war ich über H. Roth ! Nach langen Jahren seiner Zurückgegangenheit vernehme ich wieder seine Stimme. 4 Schreibe mir postwendend seine Adresse, 5 ich will {2} ihm schreiben, danken, wie auch über seinen Irrtum betreffs der „Abstraktion“ u. „überfordert“ aufklären. Gerade Roth, dessen zweites Wort „Balance“ ist, begreift nicht, wie das Genie diese „Balance“ alles Vordergrundes gerade durch die (unbewußte) Urlinie, durch Ursatz u. Verwandlungen geriet, sonst würde der Vdg nach allen Richtungen schielen u. schönbergisch 6 anmuten. Zum zweiten: ich habe niemals an Nur-Laien gedacht, meine Lehre ist eine Aufklärung für Musiker (Lehrer, Vortragende, Dirigenten) ferner für Theoretiker, Philosophen, Aestetiker, Geschichtler, endlich für ernste Liebhaber. Aber von allen Gönnern u. Gönnerinnen eine solche Vertiefung des Genusses zu fordern, habe ich mir nie {3} einfallen lassen. Bist du mit Roth schon persönlich verbunden? Sonst besorge ich die Verbindung. Vorausgesetzt die Möglichkeit der Ausführung würde es sich empfehlen, von Zeit zu Zeit einen Schenker-Gast in deinen Schulräumen sprechen zu lassen (freilich vorher in den Tagesblättern annonçiert.) nach dem Muster des Weisse-Vortrages. 7 Z. B. käme Prof. Dr. Reinhard Oppel , der Leipziger Theorie-Prof. in Frage, er brauchte nur den angekündigten, aber wegen Übersiedlung nach Leipz. nicht gehaltenen Vortrag bei dir zu sprechen, oder aus seinen im Vorjahre am [Kiel] Konservatorium gehaltenen Vorträgen zu schöpfen. Laß ihm aber einen Prospekt zukommen! (Leipzig, Könneritzstr. 58). Und wenn ich {4} schon dabei bin: schicke Prospekte an[:]
Nach Oppel käme Dr. Felix Salzer (Wien) in Frage, der die Kosten selbst bestreiten kann u. soll. Eventuell Dr. Jonas ( Berlin ). Bei Roth dürfte sein neues Amt zum Hindernis geworden sein, sonst würde er auch sprechen. ( Vrieslander ???) Mein „Seminar“ dürfte zustande kommen. Dann könnten Url. rascher fabriziert werden. Darüber später. {5} Zur Zeit ist das Nötigste: Die Adresse Roth’s. u. schicke mir seinen Aufsatz noch einmal her, bis 13. 10 spätestens. Ich brauche ihn dringend für Hoboken. Hat Hamburg ein Ph. Em. Bach-Museum? Oder Zimmer? Oder sonst ein Gedächtnisstätte? Soviel heute. Noch einmal: Gott segne dir das Werk, das Leben, auch das Leben der l. deinen, die wir Beide herzlichst grüßen! Grüße auch an Cube. © Transcription William Drabkin, 2015 |
I hesitated to reply to your two lovely letters and enclosures on the grounds that I
first wanted to catch up with your dear [sister]
Fanny and thus augment the total picture.
I am now, so to speak, at home with you, in all your rooms (= eyewitness); I know all about
your difficulties, your situation, constraints, and rivalries. And so I begin with a little
prayer:
2
[cued from lower margin:] ⇧ Diary, November 15, 1922?, p. 2476)[end cue] 3 ⇧ I was taken totally by surprise by H. Roth! After many years of his being out of the picture, I perceive his voice once again. 4 Please send me his address by return of post: 5 I would like {2} to write to him, to thank him, and to enlighten him about his error regarding “abstraction” and “overburdened.” Of all people Roth, with whom every other word is “balance,” does not understand how the genius arrives at this “balance” between all things in the foreground precisely through the (unconscious) Urlinie, through the Ursatz and its transformations; otherwise the foreground would dart off in all directions and go awry à la Schoenberg. 6 Secondly, I have never thought of merely laypeople: my theory is an enlightenment for musicians (teachers, performers, conductors), furthermore for theorists, philosophers, aestheticians, historians, and finally for serious amateurs. But to require such a deepening of enjoyment from every benefactor, male and female, that is something I have never {3} imagined myself. Are you in personal contact with Roth? If not, I will take care of the contact. Assuming that it is possible to bring it about, it would be a good idea to have a guest Schenkerian speak in your classrooms (having of course previously announced this in the newspapers), along the lines of Weisse’s lecture. 7 For instance Prof. Dr. Reinhard Oppel, the theory professor at Leipzig, would come into consideration; he would merely have to give at your school the lecture that he had announced, but did not give on account of moving to Leipzig – or choose from among the lectures that he gave in previous years at the [Kiel] Conservatory. Arrange to have a prospectus sent to him! (Leipzig, Könneritzstraße 58). And while I {4} am already on the subject: send prospectuses to:
After Oppel, Dr. Felix Salzer (Vienna) would be a possibility; he can, and should, assume the costs himself. Possibly Dr. Jonas (Berlin). With Roth , his new position would probably be a hindrance, otherwise he too would speak. (Vrieslander???) My “Seminar” will probably come into being. Then Urlinie analyses could be manufactured more quickly. More about this later. {5} For now, the most urgent thing is Roth’s address. And please send me his article here once again, by October 13 at the latest. I need it urgently for Hoboken. Does Hamburg have a C. P. E. Bach Museum? Or room? Or some other commemorative place? So much for today. Once again: may God bless your work, your life, also the life of your dear wife, to whom the two of us send our most cordial greetings! Greetings also to Cube. © Translation William Drabkin, 2015 |
Mit der Antwort auf deine beiden lieben Briefe u. Beilagen habe ich aus dem Grunde
gezögert, weil ich deine l. Fanny erst
ausholen wollte, um damit das Gesamtbild zu ergänzen. Ich bin nun wie bei dir zuhause, in
all deinen Räumen, (= Lokal-Augenschein), weiß Bescheid
über alle Schwierigkeiten deiner Lage, Hemmungen u. Gegenerschaften, also beginne ich mit
einer „Broche“:
2
[cued from lower margin:] ⇧ Tagebuch 15.XI.1922? / S. 2476[end cue] 3 [⇧ Höchst überrascht war ich über H. Roth ! Nach langen Jahren seiner Zurückgegangenheit vernehme ich wieder seine Stimme. 4 Schreibe mir postwendend seine Adresse, 5 ich will {2} ihm schreiben, danken, wie auch über seinen Irrtum betreffs der „Abstraktion“ u. „überfordert“ aufklären. Gerade Roth, dessen zweites Wort „Balance“ ist, begreift nicht, wie das Genie diese „Balance“ alles Vordergrundes gerade durch die (unbewußte) Urlinie, durch Ursatz u. Verwandlungen geriet, sonst würde der Vdg nach allen Richtungen schielen u. schönbergisch 6 anmuten. Zum zweiten: ich habe niemals an Nur-Laien gedacht, meine Lehre ist eine Aufklärung für Musiker (Lehrer, Vortragende, Dirigenten) ferner für Theoretiker, Philosophen, Aestetiker, Geschichtler, endlich für ernste Liebhaber. Aber von allen Gönnern u. Gönnerinnen eine solche Vertiefung des Genusses zu fordern, habe ich mir nie {3} einfallen lassen. Bist du mit Roth schon persönlich verbunden? Sonst besorge ich die Verbindung. Vorausgesetzt die Möglichkeit der Ausführung würde es sich empfehlen, von Zeit zu Zeit einen Schenker-Gast in deinen Schulräumen sprechen zu lassen (freilich vorher in den Tagesblättern annonçiert.) nach dem Muster des Weisse-Vortrages. 7 Z. B. käme Prof. Dr. Reinhard Oppel , der Leipziger Theorie-Prof. in Frage, er brauchte nur den angekündigten, aber wegen Übersiedlung nach Leipz. nicht gehaltenen Vortrag bei dir zu sprechen, oder aus seinen im Vorjahre am [Kiel] Konservatorium gehaltenen Vorträgen zu schöpfen. Laß ihm aber einen Prospekt zukommen! (Leipzig, Könneritzstr. 58). Und wenn ich {4} schon dabei bin: schicke Prospekte an[:]
Nach Oppel käme Dr. Felix Salzer (Wien) in Frage, der die Kosten selbst bestreiten kann u. soll. Eventuell Dr. Jonas ( Berlin ). Bei Roth dürfte sein neues Amt zum Hindernis geworden sein, sonst würde er auch sprechen. ( Vrieslander ???) Mein „Seminar“ dürfte zustande kommen. Dann könnten Url. rascher fabriziert werden. Darüber später. {5} Zur Zeit ist das Nötigste: Die Adresse Roth’s. u. schicke mir seinen Aufsatz noch einmal her, bis 13. 10 spätestens. Ich brauche ihn dringend für Hoboken. Hat Hamburg ein Ph. Em. Bach-Museum? Oder Zimmer? Oder sonst ein Gedächtnisstätte? Soviel heute. Noch einmal: Gott segne dir das Werk, das Leben, auch das Leben der l. deinen, die wir Beide herzlichst grüßen! Grüße auch an Cube. © Transcription William Drabkin, 2015 |
I hesitated to reply to your two lovely letters and enclosures on the grounds that I
first wanted to catch up with your dear [sister]
Fanny and thus augment the total picture.
I am now, so to speak, at home with you, in all your rooms (= eyewitness); I know all about
your difficulties, your situation, constraints, and rivalries. And so I begin with a little
prayer:
2
[cued from lower margin:] ⇧ Diary, November 15, 1922?, p. 2476)[end cue] 3 ⇧ I was taken totally by surprise by H. Roth! After many years of his being out of the picture, I perceive his voice once again. 4 Please send me his address by return of post: 5 I would like {2} to write to him, to thank him, and to enlighten him about his error regarding “abstraction” and “overburdened.” Of all people Roth, with whom every other word is “balance,” does not understand how the genius arrives at this “balance” between all things in the foreground precisely through the (unconscious) Urlinie, through the Ursatz and its transformations; otherwise the foreground would dart off in all directions and go awry à la Schoenberg. 6 Secondly, I have never thought of merely laypeople: my theory is an enlightenment for musicians (teachers, performers, conductors), furthermore for theorists, philosophers, aestheticians, historians, and finally for serious amateurs. But to require such a deepening of enjoyment from every benefactor, male and female, that is something I have never {3} imagined myself. Are you in personal contact with Roth? If not, I will take care of the contact. Assuming that it is possible to bring it about, it would be a good idea to have a guest Schenkerian speak in your classrooms (having of course previously announced this in the newspapers), along the lines of Weisse’s lecture. 7 For instance Prof. Dr. Reinhard Oppel, the theory professor at Leipzig, would come into consideration; he would merely have to give at your school the lecture that he had announced, but did not give on account of moving to Leipzig – or choose from among the lectures that he gave in previous years at the [Kiel] Conservatory. Arrange to have a prospectus sent to him! (Leipzig, Könneritzstraße 58). And while I {4} am already on the subject: send prospectuses to:
After Oppel, Dr. Felix Salzer (Vienna) would be a possibility; he can, and should, assume the costs himself. Possibly Dr. Jonas (Berlin). With Roth , his new position would probably be a hindrance, otherwise he too would speak. (Vrieslander???) My “Seminar” will probably come into being. Then Urlinie analyses could be manufactured more quickly. More about this later. {5} For now, the most urgent thing is Roth’s address. And please send me his article here once again, by October 13 at the latest. I need it urgently for Hoboken. Does Hamburg have a C. P. E. Bach Museum? Or room? Or some other commemorative place? So much for today. Once again: may God bless your work, your life, also the life of your dear wife, to whom the two of us send our most cordial greetings! Greetings also to Cube. © Translation William Drabkin, 2015 |
Footnotes1 Writing of this letter is recorded in Schenker's diary for September 28, 1931: “An Floriz (Br. 4 Seiten): Schenker-Gastspiele: Oppel, Salzer, Jonas; Prospekte zu verschicken; Platz für eine Em. Bach-Stätte in Hamburg? Ueber Roth u. seine Irrtümer (Balançe; „überfordert“!?)” (“To Floriz (letter, four pages): Schenker guest appearances: Oppel, Salzer, Jonas; prospectuses to give away; place for a C. P. E. Bach commemorative place in Hamburg? Concerning Roth and his mistakes (balance, “overstrained”!?)”). 2 Broche: Yiddish word meaning “prayer,” from the Hebrew “Baruch,” the word with which Jewish prayers begin (Baruch Atah Adonai, Eloheinu melech haolom = “Blessed be Thou, o Eternal Lord, King of the Universe”). 3 Jonas is cross-referring to an entry for that date in Schenker’s diary: “Von Roth (Br.): Widmung; leite einen Kontrapunktkurs in meinem Sinne u. arbeite an einem Aufsatz für Einstein.” (“From Roth (letter): dedication; he is teaching a counterpoint course in line with my approach and is working on an article for [Alfred] Einstein.”). 4 Herman Roth, "Bekenntnis zu Heinrich Schenker," Hamburger Nachrichten September 17, 1931, the day that Hans Weisse gave his lecture on Schenkerian theory in Hamburg. A clipping of this article is preserved in Schenker’s Scrapbook (OC 2), on p. 84. 5 “postwendend seine Adresse” underlined in pencil, probably by Violin. 6 Roth reports that as a counter-example to Weisse’s analysis of the J. S. Bach Invention in Eę major “he analyzed a short movement from Schoenberg’s Suite for Piano Op. 25 as an example of a non-organic, arbitrarily organized creation.” 7 A lecture given by Weisse in Hamburg on September 17, 1931, entitled "Schaffendes Hören, hörendes Schaffen," which may be translated as "Creative Hearing, Creativity through Hearing." |
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Commentary
Digital version created: 2022-03-04 |