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21.

Mit Lie-Liechen bei Mama, wo wir auch Sophie antreffen.

*

Herr Korngold verspricht sachliche Auseinandersetzung (s. „N. Fr. Pr.“ vom 18. I. 15 1 ) über die Methode der Aufführung Bach’scher Werke. Er spart sie sich, wie er sagt, für ruhigere Zeiten auf, als wäre (wie Lie-Liechen sagt) nicht gerade die gegenwärtige Zeit die geeig- {845} netste hiezu! Der Entschluß ist dem Herrn über Nacht u. nur daher gekommen, weil Schalk für seine Aufführung Bach’scher Werke sich den schärfsten Tadel des Auslandes zuzog. Nun will auch der Referent nicht hinter dem Ausland zurückbleiben (was ihn ja – wie er schlau empfindet – herabsetzen müßte) u. so schließt er sich mit der Ankündigung einer Belehrung den Tadlern an. Wie sich ein Schmierer Generalbaß u. all’ die Ingredienzien eines Bach’schen Werkes vorstellt, wird vermutlich einen der stärksten Lacherfolge bilden!

*

Frau Deutsch kommt zu Tisch; gewisse Wendungen verraten, daß sie noch immer von der Geschenksidee nicht abläßt. In der Tat wird abends Lie-Liechen eine Kopierpresse ins Haus gebracht, von der Mittags im Anschluß an den BriefWSLB 236 an Hertzka die Rede war.

*

Antwort von Wilhelm mit Ankündigung eines Betrages für die Mama. Immerhin ein hübscher Zug, umso hübscher, als er nicht lange auf sich warten ließ.

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Fl. u. Frau abends bei Lie-Liechen. Zur Bannung der Langeweile brauchten wir wahrhaftig allerhand farbige Verbündete. Die Stumpfheit der Gäste legt mich völlig lahm, so daß mich die Hervorbringung von Gedanken gar nicht mehr freut. Selbst Bomben richten nichts mehr aus! Nur gerade aus der Sphäre der niedrigsten Bedürfnisse citierte Wendungen machen einigen Eindruck.

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Wie jedes männliche Wesen so will auch jedes weibliche bis zu einem gewissen Grade Herrschaft ausüben. Für diesen natürlichen Trieb findet der Mann in seiner wirtschaftlichen Ueberlegenheit eine willkommene Handhabe, wie sie der Frau fehlt. Deshalb sucht die Frau nach Surrogaten, wobei sie erst recht zu Resultaten gelangt, die nichts weniger als Herrschaft bedeuten. Bekanntlich richtet sich der Herrschaftstrieb gegen das Dienstpersonal (weil es auch von ihr wirtschaftlich abhängig ist) oder sie bildet sich ein, Herrschaft über Männer auszuüben, die sich ihr mit den höflichsten Manieren u. Werbungen nähern. Im letzteren Falle glaubt die Frau über den Mann zu herrschen, wofür sie ja das Zeugnis seines Betragens anruft, sie übersieht aber, daß sie ge- {846} rade in solchem Falle unter die Herrschaft des Mannes gerät, der die Manieren ja nur als Köder aushängt, um dem Herrschaftsgelüste der Frau zu schmeicheln. Daß die Herrschaft der Frau über das Dienstpersonal auch nur eine Illusion bildet, kann leider sie am wenigsten begreifen; sie berauscht sich am angeblichen Herrschungsakt u. läßt sich den Effekt genügen, während sie in Wahrheit nirgends Herrschaft ausüben kann, weil die Situationen ihr von Natur aus die Herrschaft versagen.

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© Transcription Marko Deisinger.

21.

With Lie-Liechen at Mama's, where we also meet Sophie.

*

Mr. Korngold promises an objective discussion (see the Neue freie Presse of January 18, 1915 1 ) on the method of performing Bach's music. He is saving this, so he says, for more peaceful times, as if (as Lie-Liechen says) the present time were not verily the most appropriate! {845} The decision came to the gentleman overnight, and only because Schalk suffered the sharpest criticism from abroad for his performance of Bach's works. Now the critic, too, does not want to lag behind the foreigners (something which, as he cleverly senses, would have to lower his standing), and so he is lining up alongside those detractors with an announcement of an instructive statement. How a scribbler will present thoroughbass and all the ingredients that go into a work by Bach will presumably achieve the greatest success in making everyone laugh!

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Mrs. Deutsch comes to lunch; certain expressions betray that she has still not abandoned the idea of a [Christmas] present. In fact, a copying press for Lie-Liechen is brought into the house in the evening, which was talked about at noon after the letterWSLB 236 to Hertzka was finished.

*

Reply from Wilhelm, with an announcement of a payment for Mama. In any event a nice move, all the nicer in that he did not wait a long time over it.

*

In the evening, Floriz and his wife at Lie-Liechen's. To drive away the boredom, we verily [could have] used every imaginable colorful ally. The dullness of our guests renders me so thoroughly paralyzed that I no longer take pleasure in coming up with ideas. Even bombshells no longer hit their target! Only quoted expressions from the sphere of the lowest needs make any impression.

*

Like any male being, also every female would like to practice domination up to a certain degree. For this natural instinct, a man in his commercial superiority will find a welcome tool, as is missing in a woman. For this reason, a woman will look for surrogates with which she can finally achieve results that signify nothing less than domination. As is well known, this drive for domination is directed against servants (as they are also dependent on her financially); or she imagines that she can practice domination over men, who approach her with the politest manners and courtship. Ultimately a woman believes she can dominate a man, for proof of which she indeed invokes the evidence of his behavior. But she overlooks {846} the fact that in precisely such a case she finds herself under the domination of the man, who is only displaying his manners as bait in order to flatter the woman's craving for domination. That the woman's domination over the servants represents merely an illusion is something that she can, unfortunately, understand least of all. She becomes intoxicated by the ostensible act of domination and satisfies herself with its effect; in truth, she can practice domination nowhere, for the situations inherently deny her the act of domination.

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© Translation William Drabkin.

21.

Mit Lie-Liechen bei Mama, wo wir auch Sophie antreffen.

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Herr Korngold verspricht sachliche Auseinandersetzung (s. „N. Fr. Pr.“ vom 18. I. 15 1 ) über die Methode der Aufführung Bach’scher Werke. Er spart sie sich, wie er sagt, für ruhigere Zeiten auf, als wäre (wie Lie-Liechen sagt) nicht gerade die gegenwärtige Zeit die geeig- {845} netste hiezu! Der Entschluß ist dem Herrn über Nacht u. nur daher gekommen, weil Schalk für seine Aufführung Bach’scher Werke sich den schärfsten Tadel des Auslandes zuzog. Nun will auch der Referent nicht hinter dem Ausland zurückbleiben (was ihn ja – wie er schlau empfindet – herabsetzen müßte) u. so schließt er sich mit der Ankündigung einer Belehrung den Tadlern an. Wie sich ein Schmierer Generalbaß u. all’ die Ingredienzien eines Bach’schen Werkes vorstellt, wird vermutlich einen der stärksten Lacherfolge bilden!

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Frau Deutsch kommt zu Tisch; gewisse Wendungen verraten, daß sie noch immer von der Geschenksidee nicht abläßt. In der Tat wird abends Lie-Liechen eine Kopierpresse ins Haus gebracht, von der Mittags im Anschluß an den BriefWSLB 236 an Hertzka die Rede war.

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Antwort von Wilhelm mit Ankündigung eines Betrages für die Mama. Immerhin ein hübscher Zug, umso hübscher, als er nicht lange auf sich warten ließ.

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Fl. u. Frau abends bei Lie-Liechen. Zur Bannung der Langeweile brauchten wir wahrhaftig allerhand farbige Verbündete. Die Stumpfheit der Gäste legt mich völlig lahm, so daß mich die Hervorbringung von Gedanken gar nicht mehr freut. Selbst Bomben richten nichts mehr aus! Nur gerade aus der Sphäre der niedrigsten Bedürfnisse citierte Wendungen machen einigen Eindruck.

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Wie jedes männliche Wesen so will auch jedes weibliche bis zu einem gewissen Grade Herrschaft ausüben. Für diesen natürlichen Trieb findet der Mann in seiner wirtschaftlichen Ueberlegenheit eine willkommene Handhabe, wie sie der Frau fehlt. Deshalb sucht die Frau nach Surrogaten, wobei sie erst recht zu Resultaten gelangt, die nichts weniger als Herrschaft bedeuten. Bekanntlich richtet sich der Herrschaftstrieb gegen das Dienstpersonal (weil es auch von ihr wirtschaftlich abhängig ist) oder sie bildet sich ein, Herrschaft über Männer auszuüben, die sich ihr mit den höflichsten Manieren u. Werbungen nähern. Im letzteren Falle glaubt die Frau über den Mann zu herrschen, wofür sie ja das Zeugnis seines Betragens anruft, sie übersieht aber, daß sie ge- {846} rade in solchem Falle unter die Herrschaft des Mannes gerät, der die Manieren ja nur als Köder aushängt, um dem Herrschaftsgelüste der Frau zu schmeicheln. Daß die Herrschaft der Frau über das Dienstpersonal auch nur eine Illusion bildet, kann leider sie am wenigsten begreifen; sie berauscht sich am angeblichen Herrschungsakt u. läßt sich den Effekt genügen, während sie in Wahrheit nirgends Herrschaft ausüben kann, weil die Situationen ihr von Natur aus die Herrschaft versagen.

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© Transcription Marko Deisinger.

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With Lie-Liechen at Mama's, where we also meet Sophie.

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Mr. Korngold promises an objective discussion (see the Neue freie Presse of January 18, 1915 1 ) on the method of performing Bach's music. He is saving this, so he says, for more peaceful times, as if (as Lie-Liechen says) the present time were not verily the most appropriate! {845} The decision came to the gentleman overnight, and only because Schalk suffered the sharpest criticism from abroad for his performance of Bach's works. Now the critic, too, does not want to lag behind the foreigners (something which, as he cleverly senses, would have to lower his standing), and so he is lining up alongside those detractors with an announcement of an instructive statement. How a scribbler will present thoroughbass and all the ingredients that go into a work by Bach will presumably achieve the greatest success in making everyone laugh!

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Mrs. Deutsch comes to lunch; certain expressions betray that she has still not abandoned the idea of a [Christmas] present. In fact, a copying press for Lie-Liechen is brought into the house in the evening, which was talked about at noon after the letterWSLB 236 to Hertzka was finished.

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Reply from Wilhelm, with an announcement of a payment for Mama. In any event a nice move, all the nicer in that he did not wait a long time over it.

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In the evening, Floriz and his wife at Lie-Liechen's. To drive away the boredom, we verily [could have] used every imaginable colorful ally. The dullness of our guests renders me so thoroughly paralyzed that I no longer take pleasure in coming up with ideas. Even bombshells no longer hit their target! Only quoted expressions from the sphere of the lowest needs make any impression.

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Like any male being, also every female would like to practice domination up to a certain degree. For this natural instinct, a man in his commercial superiority will find a welcome tool, as is missing in a woman. For this reason, a woman will look for surrogates with which she can finally achieve results that signify nothing less than domination. As is well known, this drive for domination is directed against servants (as they are also dependent on her financially); or she imagines that she can practice domination over men, who approach her with the politest manners and courtship. Ultimately a woman believes she can dominate a man, for proof of which she indeed invokes the evidence of his behavior. But she overlooks {846} the fact that in precisely such a case she finds herself under the domination of the man, who is only displaying his manners as bait in order to flatter the woman's craving for domination. That the woman's domination over the servants represents merely an illusion is something that she can, unfortunately, understand least of all. She becomes intoxicated by the ostensible act of domination and satisfies herself with its effect; in truth, she can practice domination nowhere, for the situations inherently deny her the act of domination.

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© Translation William Drabkin.

Footnotes

1 J. K., "Gesellschaftskonzert," Neue Freie Presse, No. 18105, January 18, 1915, morning edition, pp. 9-10.