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OJ 14/10, [5] - Handwritten letter from Rosa Weil to Jeanette Schenker, dated April 19, 1933
gleich zu Beginn will ich Dir Pauls Adresse schreiben, sonst vergesse ich wieder. P. S. Praha VIII Na Rokytec 1081. Von Victor hören wir leider garnichts; wir nehmen an, daß er seine Absicht ausgeführt und sich in Palästina angekauft hat. 2 Daß die arme Frieda nur wirklich tot sein soll, will mir garnicht in den Sinn, 3 ich kann es nie einfach überhaupt nicht vorstellen und weil sie doch seit Jahren von Aussig weg war, denke ich mir immer, sie muß doch einmal wieder zu uns zurückkommen. Es geht nur damit so, wie {2} den einfältigsten Kinderseelen. Wir, d.h. Oskar, Trude, Arnold und ich waren von Mittwoch, an dem wir die Arme engeäschert haben, bis Montag in Berlin; Arnold fuhr am nächsten Morgen, Oskar am Freitag, Trude und ich mit Hedl, die ganz zusammengebrochen am Montag war, nach Aussig zurück. Wir wollten die Arme aus dem traurigen Milieu heraus und ein bißchen auf andere Gedanken bringen und so war sie na 1½ Wochen unser lieber Gast. Leider mußte sie die Hälfte der Zeit wegen einer fieberhaften Erkältung im Bett verbringen. Ein großer Teil ihrer Nervosität hängt auch mit den Ereignissen der letzten Zeit zusammen, weshalb sie auch seit 1. April mit beiden Buben wieder hier ist. {3} Seit 1½ Wochen ist auch ihr Mann hier und die Armen stehen vor einer ganz ernsten und schweren Lebenswende. Ihr kennst ja wohl all‘ die Sachen aus den Zeitungen. **Seit ihrer Übersiedlung von Hamburg nach Berlin hat die Arme Schwester gekränkelt; erst war es ein leichter Mumps, (von den Kindern angesteckt,) dann eine Grippe mit leichter Lungenzündung, welchen Umstand der Arzt verschwieg, wohl um die Angehörigen nicht allzusehr zu ängstigen. Vielleicht ging sie bei nicht ganz gutem Wetter zu früh aus und es stellte sich eine eitrige Mittelohrentzündung ein; erst floß der Eiter von selbst ab, dann müßte doch operiert werden. Das ging alles ganz glatt und sie ging schon allein zum Verband- {4} wechsel. Nach einiger Zeit stellten sich Schmerzen, Suchen nach Worten Verwechslung von Worten und Sehstörungen, [?u.] die Ärzte konstatierten einen Abszess im Gehirn; bei der ersten Operation fand man nichts, die Lähmungserscheinungen schritten fort, beim zweiten Öffnen entnahm man 13 cm3 m3 Eiter, doch hielt das Herz nichtmehr stand und es war wohl noch besser so, denn sie wäre geistig nie wieder in Ordnung gekommen. Sie war noch zu jung und hat so gerne bei ihren Kindern gelebt, aber ich denke, der Tod ist einem jahrelangen Siechtum vorzuziehen. **Lene mußte fort von Berlin, wo sie sogerne im Westend-Krankenheim bei Prof. Umber gearbeitet und viel gelernt hat. Nun ist sie in Prag an der Klinik Schmidt, und ist ein bißchen unglücklich. Alles soll gesund bleiben und die Zukunft soll besseres bringen. [right margin, sideways:] Clara geht es G. L. anhaltend besser wir hoffen sie bald wieder hier zu haben. © Transcription Ian Bent, 2024 |
To start with, let me give you Paul Schiff"s address right away, or I’ll forget it again: Paul Schiff, Na Rokytec 1081, Prague VIII. Sadly, we have heard nothing at all from Victor; we infer that he has made up his mind and has bought himself some land in Palestine. 2 I simply can’t get it into my head that poor Frieda could now really be dead. 3 I just can’t imagine it at all; and because she was away from Aussig for a good many years, I constantly imagine that she must return to us again some day. It can only happen to {2} the most simple-minded children. We – that is, Oskar, Trude, Arnold and I – were in Berlin from the Wednesday on which we cremated the poor thing to [the following] Monday. Arnold departed the next day, Oskar on Friday, Trude and I with Hedl, who was totally distraught on the Monday, returned to Aussig. We wanted to get the poor girl away from the gloomy surroundings to take her mind off things a bit, so she was our dear guest for a week and a half. Unfortunately, she had to spend half that time in bed with a feverish cold. A large part of her nervousness arose out of the events of recent days, which is why she has been back here with both little children since April 1. {3} For the last week and a half her husband has also been here, and the poor souls are faced with a serious and difficult turning point in their lives. You know all of this from the newspapers. Our poor sister has been sick ever since her move from Hamburg to Berlin. First it was a slight case of the mumps (caught from the children), then influenza with mild inflammation of the lungs, a fact the doctor didn’t disclose, doubtless so as not to alarm the patient too much. Perhaps because she went out too soon in not very good weather, a suppurating middle-ear inflammation flared up; at first the pus drained of its own accord, then even so it had to be operated on. Everything progressed smoothly and she went on her own to have the bandage {4} changed. A short time later, she had pains, was searching for her words and mixing words up, with impaired vision, [?and] the doctors suspected an abscess on the brain. In the first operation, they found nothing; the signs of paralysis advanced and with the second operation they took out 13 cubic centimeters of pus, but her heart could not withstand anything more, and it was really better so, for she would never have recovered mentally. She was still young, and loved life with her children so much, but I think death is preferable to a years-long lingering illness. Lene had to leave Berlin, where she had so much enjoyed working in the West End hospital under Prof. Umber, and learned a great deal. Now she is in Prague, at the Schmidt Clinic, and is somewhat unhappy. Let’s hope we all remain healthy, and that the future brings us something better. [right margin, sideways:] Klara has been better for some time now, and we are hoping, God willing, to have her here again soon. © Translation Ian Bent, 2024 |
gleich zu Beginn will ich Dir Pauls Adresse schreiben, sonst vergesse ich wieder. P. S. Praha VIII Na Rokytec 1081. Von Victor hören wir leider garnichts; wir nehmen an, daß er seine Absicht ausgeführt und sich in Palästina angekauft hat. 2 Daß die arme Frieda nur wirklich tot sein soll, will mir garnicht in den Sinn, 3 ich kann es nie einfach überhaupt nicht vorstellen und weil sie doch seit Jahren von Aussig weg war, denke ich mir immer, sie muß doch einmal wieder zu uns zurückkommen. Es geht nur damit so, wie {2} den einfältigsten Kinderseelen. Wir, d.h. Oskar, Trude, Arnold und ich waren von Mittwoch, an dem wir die Arme engeäschert haben, bis Montag in Berlin; Arnold fuhr am nächsten Morgen, Oskar am Freitag, Trude und ich mit Hedl, die ganz zusammengebrochen am Montag war, nach Aussig zurück. Wir wollten die Arme aus dem traurigen Milieu heraus und ein bißchen auf andere Gedanken bringen und so war sie na 1½ Wochen unser lieber Gast. Leider mußte sie die Hälfte der Zeit wegen einer fieberhaften Erkältung im Bett verbringen. Ein großer Teil ihrer Nervosität hängt auch mit den Ereignissen der letzten Zeit zusammen, weshalb sie auch seit 1. April mit beiden Buben wieder hier ist. {3} Seit 1½ Wochen ist auch ihr Mann hier und die Armen stehen vor einer ganz ernsten und schweren Lebenswende. Ihr kennst ja wohl all‘ die Sachen aus den Zeitungen. **Seit ihrer Übersiedlung von Hamburg nach Berlin hat die Arme Schwester gekränkelt; erst war es ein leichter Mumps, (von den Kindern angesteckt,) dann eine Grippe mit leichter Lungenzündung, welchen Umstand der Arzt verschwieg, wohl um die Angehörigen nicht allzusehr zu ängstigen. Vielleicht ging sie bei nicht ganz gutem Wetter zu früh aus und es stellte sich eine eitrige Mittelohrentzündung ein; erst floß der Eiter von selbst ab, dann müßte doch operiert werden. Das ging alles ganz glatt und sie ging schon allein zum Verband- {4} wechsel. Nach einiger Zeit stellten sich Schmerzen, Suchen nach Worten Verwechslung von Worten und Sehstörungen, [?u.] die Ärzte konstatierten einen Abszess im Gehirn; bei der ersten Operation fand man nichts, die Lähmungserscheinungen schritten fort, beim zweiten Öffnen entnahm man 13 cm3 m3 Eiter, doch hielt das Herz nichtmehr stand und es war wohl noch besser so, denn sie wäre geistig nie wieder in Ordnung gekommen. Sie war noch zu jung und hat so gerne bei ihren Kindern gelebt, aber ich denke, der Tod ist einem jahrelangen Siechtum vorzuziehen. **Lene mußte fort von Berlin, wo sie sogerne im Westend-Krankenheim bei Prof. Umber gearbeitet und viel gelernt hat. Nun ist sie in Prag an der Klinik Schmidt, und ist ein bißchen unglücklich. Alles soll gesund bleiben und die Zukunft soll besseres bringen. [right margin, sideways:] Clara geht es G. L. anhaltend besser wir hoffen sie bald wieder hier zu haben. © Transcription Ian Bent, 2024 |
To start with, let me give you Paul Schiff"s address right away, or I’ll forget it again: Paul Schiff, Na Rokytec 1081, Prague VIII. Sadly, we have heard nothing at all from Victor; we infer that he has made up his mind and has bought himself some land in Palestine. 2 I simply can’t get it into my head that poor Frieda could now really be dead. 3 I just can’t imagine it at all; and because she was away from Aussig for a good many years, I constantly imagine that she must return to us again some day. It can only happen to {2} the most simple-minded children. We – that is, Oskar, Trude, Arnold and I – were in Berlin from the Wednesday on which we cremated the poor thing to [the following] Monday. Arnold departed the next day, Oskar on Friday, Trude and I with Hedl, who was totally distraught on the Monday, returned to Aussig. We wanted to get the poor girl away from the gloomy surroundings to take her mind off things a bit, so she was our dear guest for a week and a half. Unfortunately, she had to spend half that time in bed with a feverish cold. A large part of her nervousness arose out of the events of recent days, which is why she has been back here with both little children since April 1. {3} For the last week and a half her husband has also been here, and the poor souls are faced with a serious and difficult turning point in their lives. You know all of this from the newspapers. Our poor sister has been sick ever since her move from Hamburg to Berlin. First it was a slight case of the mumps (caught from the children), then influenza with mild inflammation of the lungs, a fact the doctor didn’t disclose, doubtless so as not to alarm the patient too much. Perhaps because she went out too soon in not very good weather, a suppurating middle-ear inflammation flared up; at first the pus drained of its own accord, then even so it had to be operated on. Everything progressed smoothly and she went on her own to have the bandage {4} changed. A short time later, she had pains, was searching for her words and mixing words up, with impaired vision, [?and] the doctors suspected an abscess on the brain. In the first operation, they found nothing; the signs of paralysis advanced and with the second operation they took out 13 cubic centimeters of pus, but her heart could not withstand anything more, and it was really better so, for she would never have recovered mentally. She was still young, and loved life with her children so much, but I think death is preferable to a years-long lingering illness. Lene had to leave Berlin, where she had so much enjoyed working in the West End hospital under Prof. Umber, and learned a great deal. Now she is in Prague, at the Schmidt Clinic, and is somewhat unhappy. Let’s hope we all remain healthy, and that the future brings us something better. [right margin, sideways:] Klara has been better for some time now, and we are hoping, God willing, to have her here again soon. © Translation Ian Bent, 2024 |
Footnotes1 Receipt of this letter is recorded in Heinrich’s diary for April 25, 1933: “Von Rosl (Br.): Schicksal der armen Frieda u. der Kinder; Klara besser!” (“From Rosl (letter): the fate of poor Frieda and her children; Klara is better!”). — Heinrich’s diary for April 20 and 24, 1933 records: “Lie-Liechen verpackt für Rinn u. für die Schwester Rosa.” — “Postweg: Brahms für […] Rosl.” (“Lie-Liechen packs [copies of Oktaven und Quinten ] [...] and for her sister Rosa.” – “Trip to the post office: Brahms for [...] Rosl.”). 2 Victor Schiff migrated from Chile to Palestine sometime in mid- or late-1930, and was back in Chile by August 1933. 3 Frieda Glässner (née Schiff) died sometime early in 1933. |
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Commentary
Digital version created: 2024-07-22 |