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OJ 6/7, [23] - Handwritten letter from Schenker to Moriz Violin, dated July 26, 1925
Über zwei Wochen haben wir Schlaf gehalten, – LieLiechen war die erste, die sich den Schlaf aus den Augen rieb u. bemerkte, daß sie ja in Tirol ist, ich bin etwas später eingelaufen, heute weiß ich es auch. Ja, sogar habe ich inzwischen Reger’s Bach-Var. Op. 81 unter dem Titel „Gegenbeispiel“ diktiert u. für das Jahrb. II vorbereitet. Ich werde den guten Ton bewahren, aber die schauerlichsten Dinge vorlegen. Nützen kann das alles freilich gar nicht, denn geradeso wie Reger komponiert, gerade so hören ja die Massen, vom 16tel to 16tel, so reden sie, so leben sie. Ein Terz-, Quint-, Quartzug? Ein Anfang, ein Ende? Nichts davon, in jedem Augenblick fänge es an, in jedem hört es auf, dieses Ohr-Schieben sagt ihnen am besten zu. Aber was geht das mich an??? Auch haben wir all die Tage her fleißig gelesen, sommerlich durheinander, von Keller, Plutarch, Schiller usw., dazu die drei Zeitungen, die so manches Lesenswerte bringen. Und damit unser Erholung nicht {2} vergiftet werden, habe ich Dr Baumgarten untersagt, eine Korrespondenz mit Hertzka u. Dr Scheu zu führen, u. ihm mitgeteilt, daß im Herbst geklagt werden muß, da H. auch schon die Einnahmen aus den Sonaten kürzte u. seine Briefe genauso verleugnet, wie er Temmings Abonn. bestritten hat. Ich hätte es nicht für möglich gehalten, daß sich ein Mensch findet, der von der Rechnerei noch weniger versteht, als ich, u. doch – Dr B. ist es! Zwar weiß ich nicht genau worin der Betrag steckt, u. wie hoch er ist, aber doch habe ich ein juristisch-deutliches Gefühl, daß die Rechnungen anders, namentlich höher zu lauten haben. Für die nächste Saison hat sich Vrieslander’s Schüler, der reiche van Hoboken [,] angesagt. Er kommt mir gerade gelegen, eine Lücke auszustopfen, leider konnte ich von ihm nicht mehr als 5 Doll. per Stunde verlangen, da ein ihm sehr gut bekannter Junge (ebenfalls aus München u. Schüler von Vriesl.) ja auch mir so viel sahlt, u. ich durchaus nicht so erscheinen wollte, als würde ich seinen übermäßigen Reihtum ausnützen wollen. Den Stand von 1922 kann ich, wie ich sehe, nicht wieder erreichen u. aus den Werken – na! Denke dir, die 3 Masken haben mir {3} nicht einmal noch den vertragsmäßig fälligen ersten Betrag von blos 250 M. eingeschickt, trotzdem sie das Msc. schon seit 15. Juni haben. Nach solcher selbstmörderischer Arbeit nicht einmal eine solche kleine Schuldigkeit von selbst zu entrichten, das ist doch gewissenslos! Ich habe die 3 M. heute gemahnt. Wo steckt Ihr allesamt? In Hamburg? Bei Hamburg? So kommt doch hierher! In Galtür sind augenblicklich fast lauter Deutschen, offenbar ists ihnen billig genug. Das Dorf ist überfüll, aber wenn Ihr kommen wolltet, finden wir schon einen Weg. Das Wetter war bisher im Allgemeinen ungünstig, gerade das aber läßt schöne Tage erhoffen, u. was schöne Tage in den Alpen bedeuten, das wißt Ihr ja. Also packet, u. kommt. Ihe erspart noch! Was macht der kleine? Wie hält er es mit der Schule? Die kleine dürfte die Zöpfchen vorne tragen, wie wir das öfter sehen, nicht? Hast du in der „Musik“ eine Kritik über Vriesl’s Em. Bach u. jetzt über den „TW“, Hefte 5–6(!!!) {4} gelesen? O, sie zielen nach mir, ich lache. Ein Herr Englsmann schrieb in Stuttgart gegen mein op. 110, die Antwort findest du im „Jahrb. I“, – das eine mal gab ich einen „Patsch“, die Anderen lasse ich lasse ich laufen. Meine Sache ist es, etwas vorzulegen, Alles andere haben die blöden Menschen mit sich selbst auszutragen. Die erste Serie der Plakette ist schon vergriffen, eine neue wurde aufgelegt, sogar Frau Bienenfeld hat eine erworben, wie mir Frau Pairamall schreibt. Wenn nur auch schon Hammers Bildnis draußen wäre, LieLiechen findet diese Arbeit unendlich überlegen, – ich selbst weiß doch nicht recht, wie ich aussehe u. der Spiegel war nie mein „Confidant“. Also: Kommt! Mit diesem Wort, unterstrichen auch von meinem LieLiechen, schließe ich das Bfchen, grüßen u. grüßend allzumal![?] Euer aller [signed:] Heinrich u. LieLie Galtür, 26. VII., 1925. © Transcription William Drabkin, 2013 |
For two weeks we have been sleeping things off. Lie-Liechen was the first who rubbed the sleep from her eyes and observed that she is indeed in the Tyrol. It took me somewhat more time to realize this; now I know it, too. Indeed, in the meantime I have dictated Reger's Bach Variations, Op. 81, with the title "Counter-example" and prepared it for the second Yearbook. I shall retain a positive tone but lay bare the most dreadful things. All this cannot, of course, do any good whatsoever: just as Reger composes, so, exactly do the masses hear, from one sixteenth note to the next. That is how they speak, that is how they live. A third-, fifth-, fourth-progression? A beginning, an ending? There is nothing of the sort to be found: there is a beginning in every instant, an end in every instant. This crude aural behavior they find most agreeable. But of what concern is that to me??? In addition, we have been using all this time to read assiduously, all sorts of things in no particular order, as befits the summer season: Keller, Plutarch, Schiller, and the three newspapers which offer so much worthwhile. And so that our recovery is not {2} contaminated, I have forbidden Dr. Baumgarten from corresponding with Hertzka and Dr. Scheu, and told him that legal action must be taken in the autumn, since Hertzka has already reduced my income from the [edition of the Beethoven] sonatas, and his letters equally betray how he has queried Temming's subscriptions. I would not have thought it possible that there could be such a person who understands even less about arithmetic than I do, and yet – Dr. Baumgarten himself is the man! True, I do not know what is holding up payment, or how high it is, but I have a legally clear feeling that the payments ought to be different, i.e. greater. For next season I have accepted Vrieslander's pupil, the wealthy van Hoboken. He comes at just the right time to fill a gap. Unfortunately I could not demand from him more than five dollars per lesson, since a young man who is well known to him (likewise a pupil of Vrieslander's, from Munich) is paying me exactly as much, and I certainly do not want to give the impression that I am exploiting his enormous wealth. I shall not, so far as I can see, be able to reach the position I enjoyed in 1922. And from proceeds of my works? Well, just consider this: the Drei Masken Verlag have {3} not yet even sent me the first payment, of a mere 250 marks, which is contractually due, in spite of the fact that they have had my manuscript since June 15. Not even to have paid this small debt as a matter of course, after such suicidal work: that is surely unconscionable! I warned the publisher today. Where are you all hiding? In Hamburg? Near Hamburg? Then come over here! In Galtür there are at the moment almost exclusively Germans; apparently it is cheap enough for them. The village is overcrowded, but if you would like to come we shall surelly find a way. The weather was, until now, generally unfavorable; but even that allows to hope for beautiful days, and what beautiful days in the Alps means is something you well known. So pack your bags, and come: you will still save money! What is the little boy up to? How is he getting on in school? The girl is probably wearing her braids in front, as we often see. Have you read in Die Musik a review of Vrieslander's book on C. P. E. Bach, and now a review of Der Tonwille , issues 5–6(!!!)? {4} Oh, they have their sights on me; and I am laughing. A Mr. Engelsmann wrote in Stuttgart in opposition to my [Erläuterungsausgabe of] Op. 110; you will find my reply in Yearbook 1. I've given him a "slap"; the others I shall not pursue. My task is to present something; the imbecilic people can come to terms with everything else for themselves. The first impression of [Rothberger's] medallion is already sold out; a new one will be brought out. Even Mrs Bienenfeld has acquired on, as Mrs. Pairamall informs me. If only Hammer's portrait were on sale – Lie-Liechen finds this work incomparably superior – I myself do not really know what I look like, and the mirror was never my "confidant." And so: Come! With this word, underscored also by my Lie-Liechen, I close this note, send you all our greetings, our greetings as ever. [signed:] Heinrich and Lie-Lie Galtür, July 26, 1925 © Translation William Drabkin, 2013 |
Über zwei Wochen haben wir Schlaf gehalten, – LieLiechen war die erste, die sich den Schlaf aus den Augen rieb u. bemerkte, daß sie ja in Tirol ist, ich bin etwas später eingelaufen, heute weiß ich es auch. Ja, sogar habe ich inzwischen Reger’s Bach-Var. Op. 81 unter dem Titel „Gegenbeispiel“ diktiert u. für das Jahrb. II vorbereitet. Ich werde den guten Ton bewahren, aber die schauerlichsten Dinge vorlegen. Nützen kann das alles freilich gar nicht, denn geradeso wie Reger komponiert, gerade so hören ja die Massen, vom 16tel to 16tel, so reden sie, so leben sie. Ein Terz-, Quint-, Quartzug? Ein Anfang, ein Ende? Nichts davon, in jedem Augenblick fänge es an, in jedem hört es auf, dieses Ohr-Schieben sagt ihnen am besten zu. Aber was geht das mich an??? Auch haben wir all die Tage her fleißig gelesen, sommerlich durheinander, von Keller, Plutarch, Schiller usw., dazu die drei Zeitungen, die so manches Lesenswerte bringen. Und damit unser Erholung nicht {2} vergiftet werden, habe ich Dr Baumgarten untersagt, eine Korrespondenz mit Hertzka u. Dr Scheu zu führen, u. ihm mitgeteilt, daß im Herbst geklagt werden muß, da H. auch schon die Einnahmen aus den Sonaten kürzte u. seine Briefe genauso verleugnet, wie er Temmings Abonn. bestritten hat. Ich hätte es nicht für möglich gehalten, daß sich ein Mensch findet, der von der Rechnerei noch weniger versteht, als ich, u. doch – Dr B. ist es! Zwar weiß ich nicht genau worin der Betrag steckt, u. wie hoch er ist, aber doch habe ich ein juristisch-deutliches Gefühl, daß die Rechnungen anders, namentlich höher zu lauten haben. Für die nächste Saison hat sich Vrieslander’s Schüler, der reiche van Hoboken [,] angesagt. Er kommt mir gerade gelegen, eine Lücke auszustopfen, leider konnte ich von ihm nicht mehr als 5 Doll. per Stunde verlangen, da ein ihm sehr gut bekannter Junge (ebenfalls aus München u. Schüler von Vriesl.) ja auch mir so viel sahlt, u. ich durchaus nicht so erscheinen wollte, als würde ich seinen übermäßigen Reihtum ausnützen wollen. Den Stand von 1922 kann ich, wie ich sehe, nicht wieder erreichen u. aus den Werken – na! Denke dir, die 3 Masken haben mir {3} nicht einmal noch den vertragsmäßig fälligen ersten Betrag von blos 250 M. eingeschickt, trotzdem sie das Msc. schon seit 15. Juni haben. Nach solcher selbstmörderischer Arbeit nicht einmal eine solche kleine Schuldigkeit von selbst zu entrichten, das ist doch gewissenslos! Ich habe die 3 M. heute gemahnt. Wo steckt Ihr allesamt? In Hamburg? Bei Hamburg? So kommt doch hierher! In Galtür sind augenblicklich fast lauter Deutschen, offenbar ists ihnen billig genug. Das Dorf ist überfüll, aber wenn Ihr kommen wolltet, finden wir schon einen Weg. Das Wetter war bisher im Allgemeinen ungünstig, gerade das aber läßt schöne Tage erhoffen, u. was schöne Tage in den Alpen bedeuten, das wißt Ihr ja. Also packet, u. kommt. Ihe erspart noch! Was macht der kleine? Wie hält er es mit der Schule? Die kleine dürfte die Zöpfchen vorne tragen, wie wir das öfter sehen, nicht? Hast du in der „Musik“ eine Kritik über Vriesl’s Em. Bach u. jetzt über den „TW“, Hefte 5–6(!!!) {4} gelesen? O, sie zielen nach mir, ich lache. Ein Herr Englsmann schrieb in Stuttgart gegen mein op. 110, die Antwort findest du im „Jahrb. I“, – das eine mal gab ich einen „Patsch“, die Anderen lasse ich lasse ich laufen. Meine Sache ist es, etwas vorzulegen, Alles andere haben die blöden Menschen mit sich selbst auszutragen. Die erste Serie der Plakette ist schon vergriffen, eine neue wurde aufgelegt, sogar Frau Bienenfeld hat eine erworben, wie mir Frau Pairamall schreibt. Wenn nur auch schon Hammers Bildnis draußen wäre, LieLiechen findet diese Arbeit unendlich überlegen, – ich selbst weiß doch nicht recht, wie ich aussehe u. der Spiegel war nie mein „Confidant“. Also: Kommt! Mit diesem Wort, unterstrichen auch von meinem LieLiechen, schließe ich das Bfchen, grüßen u. grüßend allzumal![?] Euer aller [signed:] Heinrich u. LieLie Galtür, 26. VII., 1925. © Transcription William Drabkin, 2013 |
For two weeks we have been sleeping things off. Lie-Liechen was the first who rubbed the sleep from her eyes and observed that she is indeed in the Tyrol. It took me somewhat more time to realize this; now I know it, too. Indeed, in the meantime I have dictated Reger's Bach Variations, Op. 81, with the title "Counter-example" and prepared it for the second Yearbook. I shall retain a positive tone but lay bare the most dreadful things. All this cannot, of course, do any good whatsoever: just as Reger composes, so, exactly do the masses hear, from one sixteenth note to the next. That is how they speak, that is how they live. A third-, fifth-, fourth-progression? A beginning, an ending? There is nothing of the sort to be found: there is a beginning in every instant, an end in every instant. This crude aural behavior they find most agreeable. But of what concern is that to me??? In addition, we have been using all this time to read assiduously, all sorts of things in no particular order, as befits the summer season: Keller, Plutarch, Schiller, and the three newspapers which offer so much worthwhile. And so that our recovery is not {2} contaminated, I have forbidden Dr. Baumgarten from corresponding with Hertzka and Dr. Scheu, and told him that legal action must be taken in the autumn, since Hertzka has already reduced my income from the [edition of the Beethoven] sonatas, and his letters equally betray how he has queried Temming's subscriptions. I would not have thought it possible that there could be such a person who understands even less about arithmetic than I do, and yet – Dr. Baumgarten himself is the man! True, I do not know what is holding up payment, or how high it is, but I have a legally clear feeling that the payments ought to be different, i.e. greater. For next season I have accepted Vrieslander's pupil, the wealthy van Hoboken. He comes at just the right time to fill a gap. Unfortunately I could not demand from him more than five dollars per lesson, since a young man who is well known to him (likewise a pupil of Vrieslander's, from Munich) is paying me exactly as much, and I certainly do not want to give the impression that I am exploiting his enormous wealth. I shall not, so far as I can see, be able to reach the position I enjoyed in 1922. And from proceeds of my works? Well, just consider this: the Drei Masken Verlag have {3} not yet even sent me the first payment, of a mere 250 marks, which is contractually due, in spite of the fact that they have had my manuscript since June 15. Not even to have paid this small debt as a matter of course, after such suicidal work: that is surely unconscionable! I warned the publisher today. Where are you all hiding? In Hamburg? Near Hamburg? Then come over here! In Galtür there are at the moment almost exclusively Germans; apparently it is cheap enough for them. The village is overcrowded, but if you would like to come we shall surelly find a way. The weather was, until now, generally unfavorable; but even that allows to hope for beautiful days, and what beautiful days in the Alps means is something you well known. So pack your bags, and come: you will still save money! What is the little boy up to? How is he getting on in school? The girl is probably wearing her braids in front, as we often see. Have you read in Die Musik a review of Vrieslander's book on C. P. E. Bach, and now a review of Der Tonwille , issues 5–6(!!!)? {4} Oh, they have their sights on me; and I am laughing. A Mr. Engelsmann wrote in Stuttgart in opposition to my [Erläuterungsausgabe of] Op. 110; you will find my reply in Yearbook 1. I've given him a "slap"; the others I shall not pursue. My task is to present something; the imbecilic people can come to terms with everything else for themselves. The first impression of [Rothberger's] medallion is already sold out; a new one will be brought out. Even Mrs Bienenfeld has acquired on, as Mrs. Pairamall informs me. If only Hammer's portrait were on sale – Lie-Liechen finds this work incomparably superior – I myself do not really know what I look like, and the mirror was never my "confidant." And so: Come! With this word, underscored also by my Lie-Liechen, I close this note, send you all our greetings, our greetings as ever. [signed:] Heinrich and Lie-Lie Galtür, July 26, 1925 © Translation William Drabkin, 2013 |
Footnotes1 Writing of this letter is recorded in Schenker's diary at OJ 3/7, p. 2846, July 25, 1925: "An Fl. (Br.): Bericht über das Laufende, auch über die U.-E.-Frage u. den Drei Masken Verlag; Einladung." ("To Floriz (letter): report on how things are developing, also about the UE question and the Drei Masken Verlag; invitation.") |
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Commentary
Digital version created: 2013-06-09 |